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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles wieder kaufen.« Wer ahnte damals, was an Todesnot auf sie zukommen würde.
    Anneliese lehnte sich gegen die Wand und sah zu, wie Ut mit ihren Kindern unter die Dusche ging. Sie hatte einen schönen Körper mit kleinen Brüsten und längeren Beinen, als man in den flattrigen Hosen erkennen konnte. Nichts deutete darauf hin, daß sie schon drei Kinder hatte, keine Bauchfalte, keine Hautflecken, keine Schlaffheit der Brüste, es war ein junger, noch mädchenhafter Körper, der – über Anneliese lief ein kalter Schauer – in einem thailändischen Bordell oder Massagesalon eine Menge Geld einbringen könnte. Frauen wie Ut waren für Truc ein großes Kapital, eine teure Handelsware, und sie konnte sich vorstellen, wie Truc sie auch als solche anbot, sie nackt dem Aufkäufer vorführen ließ und dann um den hohen Preis handelte. Eine so schöne Kindfrau wie Ut würde 5.000 Dollar bringen und dafür mußte sie Tag und Nacht im Bordell zur Verfügung stehen, um die große Investition wieder hereinzuholen. Ein Leben für Tausende von Männern, bis sie zu alt geworden war, verbraucht und ausgelaugt und nur noch taugte für die eingeborenen Männer, die umgerechnet zwanzig Mark zahlten. Und wenn auch das nicht mehr lief, würde man sie auf die Straße werfen wie Müll, menschlicher Abfall, um dessen Verfaulen sich niemand mehr kümmerte.
    Aber in Bonn sagte die Bundesregierung, die Rettung dieser Menschen sei nicht als ein humanitärer Akt zu bewerten. Die Verhältnisse in Vietnam hätten sich wesentlich gebessert. Es gäbe keinen Grund mehr zur Flucht.
    Ut wusch ihre Kinder mit viel Seifenschaum, immer und immer wieder seifte sie die Kleinen ein, als wolle sie alle Not und alle Angst aus den Poren waschen. Dann stellte sie sich selbst mit hocherhobenen Armen unter die Duschstrahlen, warf den Kopf in den Nacken, schloß die Augen und gab sich ganz dem warmen, strömenden Wasser hin. Etwas Wildes, ungemein Erotisches war in diesen Bewegungen, in der Verzückung, die auf ihrem Gesicht lag, im Schwingen ihres Körpers und dem Rhythmus ihres verhaltenen Tanzes in den Wasserstrahlen, als folge sie einer in ihr klingenden Melodie. Selbst Anneliese empfand dieses lockende Aufbrechen von Sexualität, von ungehemmter Sehnsucht und Hingabe, um wieviel mehr mußte ein Mann das spüren und für sich beanspruchen. Sie dachte an Uts Zukunft, die völlig im dunkeln lag. Welcher Staat würde sie mit den Kindern aufnehmen, welcher Mann würde in Uts Leben treten? Würde das Glück der Rettung sich fortsetzen in einem anderen Glück? Welche Arbeit konnte sie aufnehmen, was hatte sie gelernt?
    Ngoc hatte zur Seife gegriffen und rieb seine Mutter damit ein. Er tat es mit großem Ernst, verteilte den Schaum über ihren Rücken, die Hüften und das Gesäß, rieb ihn in die Poren ein und trat dann zurück an die Wand, damit sich Ut unter den Wasserstrahlen drehen konnte.
    Ut lachte ausgelassen mit den Kindern. Die Kleinen sprangen wieder unter die Dusche, preßten sich an ihre Mutter, und Ut legte die Arme um sie, und zusammen genossen sie das warme Wasser und quietschten vor Fröhlichkeit.
    Danach saßen sie alle nebeneinander auf dem Bett, eingewickelt in weiche, große Frotteetücher, ein Junge und drei Mädchen, denn Ut sah mit ihren nassen, anliegenden Haaren noch jünger aus als zuvor, wie die ältere Schwester der Kinder. Anneliese holte Xuong wieder ins Zimmer. Er hatte draußen im Flur gewartet, hatte das Jauchzen aus der Dusche gehört und daran gedacht, daß Hung in seinem Hexenwahn unberechenbar war.
    »Wer ist das?« fragte Xuong und zwinkerte mit den Augen. »Kenne ich sie? Aber ja, jetzt weiß ich es: Es ist Ut mit ihren Kindern. Wie Wasser und Seife sie verändert haben!«
    Er sagte es auch auf vietnamesisch, und wieder begann ein lautes Quietschen. Ngoc schlug die Hände zusammen, die Mädchen strampelten mit den Beinen und Ut zog das Badetuch höher zum Hals, als es zu rutschen begann. Wieso sind sie anders als wir, dachte Anneliese. So würde jede Mutter nach einem Bad mit ihren Kindern sitzen und sich freuen – ob in Kanada oder Frankreich, in der Schweiz oder in Deutschland. Sind sie anders, weil sie aus Asien kommen? Was unterscheidet sie von uns? Sie sind Menschen wie wir, nur wir, die Satten, sortieren sie aus, wie fehlerhafte Ware auf einem Fließband.
    »Sagen Sie ihnen, Xuong, daß sie die neuen Kleider anziehen sollen und dann die Kabine nicht verlassen dürfen. Sie sollen hinter sich die Tür verriegeln und

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