Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Dinge über mich.«
    »Ein gut durchdachter Plan, Hung. Ut und die Kinder sind plötzlich weg. Man sucht im ganzen Schiff und findet sie nicht. Und dann heißt es: Ut hatte einen gestörten Geist. Ihre Seele war schon jenseits unserer Welt. Dahin ist sie nun gegangen und hat die Kinder mitgenommen, wie es eine gute Mutter tut. Du hättest das mit großen Worten vorgetragen, und man hätte es geglaubt. Es klang ja auch so logisch. Und dann, wenn keiner mehr von Ut und den Kindern gesprochen hätte, hättest du sie eines Nachts getötet und über Bord zu den Haien geworfen. Ist das so richtig, Hung?«
    »Nein, Lehrer, nein! Ich bin doch kein Ungeheuer.«
    »Du bist mehr, du bist dazu noch feig! Ein feiges Ungeheuer, was kann es Schrecklicheres geben? Los!« Xuong hob das Messer. »Geh voraus.«
    »Machst du ihn jetzt tot?« fragte der Junge stockend. Er hatte die Gesichter der beiden Mädchen an seine Brust gedrückt. Ihre dünnen Ärmchen umklammerten ihn als den letzten, einzigen Halt.
    »Nein, wir holen deine Mutter. Wie heißt du?«
    »Ngoc.«
    »Hab keine Angst, Ngoc. Lauf nicht weg, bleib hier und warte. Ich hole deine Mutter.«
    »Ich bleibe hier.« Ngoc sprach mit dem Ernst eines Mannes. »Ich vertraue dir.«
    Hung schwitzte wieder aus allen Poren, wischte sich mit dem Arm über sein Gesicht und ging auf den Flur. Er drehte sich nicht um, er wußte, daß Xuong hinter ihm war, das Messer in der Hand, und wortlos und gnadenlos in seinen Rücken stechen würde, wenn er den Schritt verlangsamte. Aber dann dachte Hung, daß ein Umzug Uts in das Hospital kein Hinderungsgrund war, ihr Hexentum zu beseitigen. Auch ein Hospital hat Türen, durch die man hinein- und hinausgehen konnte, und niemand würde Ut auch des Nachts bewachen, denn sie hatte ja keine schwere Krankheit. Sie hatte nur Angst, berechtigte Angst vor der Strafe, weil sie mit des Teufels Hilfe Todgeweihte am Sterben hinderte. Und so würde es einen Morgen geben, an dem man Ut tot in ihrem Bett fand, erstickt, erwürgt, erstochen, was gerade am günstigsten war, und keiner sah einen Beweis, daß Le Quang Hung, der Dolmetscher, ein Hexenweib bestraft hatte. Dieser Gedanke erfreute und beruhigte Hung so sehr, daß er das Messer in seinem Rücken klaglos ertrug, sein Schwitzen nachließ und er, als sie die Treppe zum Deck erreichten, seine Fettmassen behende die Stufen hinaufwuchtete.
    An Deck hatte man gerade die Leiche der aus dem Meer gefischten jungen Frau in das Deckhaus getragen. Die Vietnamesen standen an der Bordwand, hoben drohend die Fäuste, schrien Parolen wie »Es lebe das freie Vietnam!« oder »Sei verflucht! Sei verflucht!« und spuckten symbolisch ins Meer. Stolz und unangreifbar, ein Hohn für alle Wehrlosen, zog die weiße Yacht von Truc Kim Phong an ihnen vorbei. Die fröhlich winkenden Piraten wurden mit Gejohle und kreischendem Geschrei überschüttet.
    »Truc fährt davon«, sagte Hung mit großer Erleichterung. Dicht hinter ihm stand Xuong, er hatte das Messer wieder eingeklappt. »Was hättest du getan, Lehrer, wenn er unser Schiff gestürmt hätte?«
    »Gekämpft!«
    Von der Bordwand kam Cuong zu ihnen gestürzt. Sein Gesicht war verzerrt, und er schüttelte beide Fäuste. »Xuong!« schrie er hell, und alle angestaute Wut lag in diesem Schrei. »Er hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten! Er hat uns gezeigt, was er mit uns auch tun würde! Sind wir noch sicher auf dem Schiff?! Da … da treiben sie weg. Sieh dir das an!«
    Xuong schüttelte den Kopf. Wozu das auch noch ansehen? Ihr Boot war Truc nicht in die Hände gefallen, das war ein Glück, das nie wiederkehrte. Alles, was noch vor ihnen lag, die Ungewißheit, das fremde Land, das sie einmal aufnehmen würde, die anderen Menschen, die ihnen Feindschaft entgegenbringen würden, den Asylanten aus einer fernen Welt, die man nicht verstand, alles war zu ertragen, nachdem das Glück des Weiterlebens ihnen geschenkt worden war.
    »Komm mit«, sagte er zu Hung. Der Dolmetscher drehte sich zu ihm um.
    »Wohin?«
    »Zum Hospital. Wir holen Ut ab, bringen sie zu ihren Kindern und führen sie alle zurück ins Hospital. Du bleibst nicht allein, bevor sie alle in Sicherheit sind.«
    Cuong schüttelte noch einmal stumm die Fäuste, und als er begriff, daß Xuong nicht auf die treibenden Leichen blicken wollte, rannte er zurück zur Bordwand und schloß sich wieder den schreienden und drohenden Landsleuten an.
    Im Hospital herrschte seltene Ruhe. Alles hatte sich in dem Raum versammelt, in dem

Weitere Kostenlose Bücher