Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
mich bringen. Noch dürfte Graf Diebold bei seiner Mutter sein, doch irgendwann muss er auch seinen Vater aufsuchen. Also sollten wir vor ihm dort sein.«
    »Das gebe unser Herr Jesus Christus!« Nun ging Walther doch ein wenig langsamer und atmete tief durch. »Auch wenn es für uns beide überraschend kommt, so freue ich mich, dass aus uns ein Paar wird. Ich habe dich bereits als Kind gemocht und dich, seit du erwachsen bist, von ganzem Herzen begehrt!«
    Die Begierde eines Mannes ist leicht zu entflammen, fuhr es Gisela durch den Kopf, und sie dachte daran, wie Diebold sie bedrängt hatte. Sogleich schämte sie sich jedoch für diesen Vergleich, denn Walther hatte ihr niemals nachgestellt oder versucht, sie zu verführen. Im Grunde hatte diese Tatsache sie sogar ein wenig gekränkt.
    Doch Walther war nicht mit anderen Männern zu vergleichen. Sie hatte ihn noch nie zornig gesehen. Auch prahlte er nicht so wie andere mit völlig nutzlosen Dingen. Vor allem aber hatte er sie niemals im Stich gelassen, wenn sie auf seine Hilfe angewiesen gewesen war. Nun half er ihr erneut, obwohl es ihn diesmal seine Freiheit kostete. Vielleicht würde er ihretwegen gar auf seinen Traum verzichten, nach Amerika zu gehen.
    Sie hoffte insgeheim, dass er hierbleiben würde, denn sie fürchtete sich vor dem Land, das jenseits des riesigen Ozeans lag, und noch viel mehr vor der Überfahrt. Wasser war grausam, das wusste sie aus bitterer Erfahrung. Sie hatte viele Männer und auch Frauen, die mit dem Heer gezogen waren, in Russlands Flüssen und Strömen ertrinken sehen.
    Gisela und Walther hingen immer noch ihren Gedanken nach, als sie das Schloss erreichten und es durch einen Seiteneingang betraten. Beklommen fassten sie sich an den Händen und stiegen über eine Nebentreppe zu den Gemächern des Grafen hinauf. Als sie an die Tür klopften, öffnete ihnen der Kammerdiener. Dieser wusste, dass sie bei seinem Herrn gut angesehen waren, und ließ sie ein.
    »Ihr wollt mit Seiner Erlaucht sprechen?«, fragte er.
    Walther nickte eifrig. »Das wollen wir! Wenn es möglich ist, möchten wir dabei nicht gestört werden.«
    »Ich will sehen, was ich tun kann!« Mit gravitätischen Schritten, die nicht mehr erkennen ließen, dass der gute Mann im Heer der Bursche seines Herrn gewesen war, ging der Kammerdiener ihnen voraus und meldete sie bei Medard von Renitz an.
    Medard von Renitz saß mit einer Decke in seinem Lieblingsohrensessel und hielt ein Werk des Generals Clausewitz in der Hand. Als er das junge Paar bemerkte, hob er den Kopf und sah sie an.
    Die beiden nahmen die tiefen Spuren wahr, die das Alter in das Gesicht ihres Herrn gegraben hatte, und befürchteten, dass der Mann, der sie protegiert hatte, nicht mehr lange leben würde. Für Walther war dies eine Mahnung, seine Pläne energischer voranzutreiben als bisher.
    »Was führt euch zu mir?«, fragte Graf Renitz freundlich.
    Während Gisela knickste, verbeugte Walther sich und sah dann Renitz mit dem Mut der Verzweiflung an. »Euer Erlaucht, ich … wir sind gekommen, um Euch zu bitten, uns die Heirat zu erlauben.«
    »Ihr wollt heiraten? Ihr wisst, dass dies hier auf Renitz nur auf eine Art geschehen kann!« Der Graf sah Gisela so durchdringend an, dass diese beschämt den Kopf senkte.
    »Das weiß ich, Euer Durchlaucht, und ich bin bereit dazu.«
    Eigentlich bin ich es weniger denn je, durchfuhr es Gisela, aber sie wusste genau, dass sie sich nicht weigern durfte. Sie war noch zu jung und zu hübsch, um auf Tagelohn gehen zu können, ohne von Männern belästigt zu werden. Doch wenn sie hierblieb, ohne Walther zu heiraten, bot sie Graf Diebold die Gelegenheit, mit ihr so zu verfahren, wie es ihm beliebte.
    Auch wenn der Graf nur selten seine Gemächer verließ, so erfuhr er doch vieles von dem, was im Schloss geschah, und ihm war klar, dass das überraschende Ansuchen des jungen Paares mit der Rückkehr seines Sohnes zusammenhing. Er fand es beschämend, dass eine junge Frau wie Gisela sich nicht anders vor Diebolds Zudringlichkeiten zu retten wusste, als Hals über Kopf zu heiraten, doch er hatte nicht die Macht, dies zu ändern. Da er sowohl Walther wie auch Gisela mochte, beschloss er, ihnen diesen Ausweg zu ermöglichen.
    »Ich erteile euch die Erlaubnis zur Heirat. Pastor Künnen soll euch noch heute Abend trauen. Ich werde ihm die schriftliche Anweisung dazu geben!« Renitz reichte seinem Kammerdiener das Buch und befahl ihm, Papier, Tinte und Feder zu bringen sowie ein kleines

Weitere Kostenlose Bücher