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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schreibpult, das er auf die Lehnen des Sessels legen konnte.
    Noch während er schrieb, betraten sein Sohn und seine Gemahlin das Zimmer. Beide sahen Gisela und Walther verwundert an, und die Gräfin machte ihnen ein Zeichen, dass sie gehen sollten.
    Ihr Gemahl hob die Hand. »Bleibt! Ich bin gleich fertig.«
    Dann brachte er die letzten Zeilen zu Papier, unterschrieb mit Titel und Namen und reichte das Blatt an Walther weiter.
    »Übergib dies Pastor Künnen! Er wird wissen, was er zu tun hat.«
    »Eure Erlaucht ist zu gütig!« Walther verbeugte sich und wandte sich zum Gehen.
    Da vertrat Diebold ihm den Weg. »Was ist das für ein Schreiben?«
    »Die Heiratserlaubnis für die beiden«, antwortete Graf Renitz an Walthers Stelle.
    Diebold vernahm die Verachtung in der Stimme seines Vaters und ballte die Fäuste. Doch er wusste, dass er gute Miene zum bösen Spiel machen musste, wenn er seinen Vater nicht vollends gegen sich aufbringen wollte. Damit war ihm das Mädchen zum dritten Mal entglitten. Doch irgendwann einmal würde er der Herr auf Renitz sein und dafür Sorge tragen, dass Gisela und Walther es für den Rest ihres Lebens bereuten, ihn jemals erzürnt zu haben.

13.
    S toppels Tod ermöglichte es Gisela und Walther, in aller Stille zu heiraten. Dies war in Graf Renitz’ Sinn, denn es schien ihm nicht klug, diese Hochzeit an die große Glocke zu hängen. Die Leute wussten, dass Gisela katholisch war, und hätten erwartet, dass sie erst von Pastor Künnen in der in ihren Augen richtigen Konfession unterrichtet worden wäre. Dieser war jedoch von Luise Frähmke über die wahren Hintergründe für die Heirat informiert worden und stimmte ihr zu, weil auch er davon ausging, dass Diebold keine verheiratete Frau bedrängen würde.
    So nahmen außer dem Brautpaar und dem Pastor nur Medard von Renitz, sein Kammerdiener, Luise Frähmke, Cäcilie und ein paar Bedienstete an der Feier teil. Einer, der ihnen ans Herz gewachsen war, fehlte jedoch. Es tat Walther leid, dass er Holger Stoppel niemals mehr sehen würde, und auch Gisela weinte ein paar Tränen, als sie an den Freund dachte, der ausgerechnet an diesem Tag hatte sterben müssen. Obwohl Künnen sich bemühte, die Trauung so festlich wie möglich zu gestalten, spürte Gisela, wie ihre Verzweiflung wuchs.
    Immer wieder sah sie jene Szene bei Waterloo vor sich, in der ihre Mutter sie angefleht hatte, ihren Glauben niemals zu verleugnen. Nun tat sie es zumindest nach außen, denn innerlich würde sie der katholischen Kirche treu bleiben. Ihre Kinder mussten jedoch in der anderen Religion aufgezogen werden, und das erschien ihr als größter Verrat an der Mutter.
    Walther spürte ihre Unruhe, wusste aber ihre Erregung nicht einzuordnen. War es ihr zuwider, mit ihm verheiratet zu sein? Oder gab es womöglich einen anderen Grund, von dem er nichts ahnte? Schnell ging er die jungen Männer aus dem Schloss, dem Dorf und dem Gut durch und fragte sich, ob Giselas Herz an einem von denen hing und Frau Frähmke sie zu dieser Heirat gedrängt hatte.
    Das konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Gisela und er hatten sich stets gut verstanden, auch wenn ihre Freundschaft nach seiner Rückkehr aus Göttingen nicht mehr so innig gewesen war wie vor seiner Studienzeit. Er sprach schließlich sein »Ja!« in der Hoffnung, dass Gisela doch etwas für ihn empfand und sie gut zusammen leben würden.
    Giselas »Ja!« klang wie zerspringendes Glas und drückte den ganzen Zwiespalt aus, in dem sie sich befand. Du liebst Walther doch, rief ein Teil in ihr. Wenn du ihm das nicht zeigst, wird er annehmen, dir liegt nichts an ihm, und damit steht eure Ehe von Anfang an unter einem schlechten Stern.
    Wie sie die Trauung durchstand, hätte sie hinterher nicht zu sagen vermocht. Irgendwann sah sie Graf Renitz vor sich, der ihre Hand ergriff, und vernahm die Worte, mit denen er ihr seinen Glückwunsch zur Hochzeit aussprach. Luise Frähmke umarmte sie und raunte ihr ins Ohr, dass nun alles gut werde. Doch davon war Gisela nicht überzeugt. Auf jeden Fall war sie jetzt eine verheiratete Frau und würde anders leben müssen als bisher. Mit einem scheuen Blick sah sie zu Walther auf. Seine Miene wirkte ernst, wie man es von ihm gewohnt war, und sein Blick war in die Ferne gerichtet.
    Sie begriff, dass sie etwas tun musste, um die Mauer niederzureißen, die sich zwischen ihnen aufzurichten drohte, und fasste nach seiner Hand. »Es gibt keinen, mit dem ich lieber verheiratet wäre als mit

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