Das goldene Ufer
sie kurz stehen.
»Den kannst du abstellen. Um die Arbeit soll sich eine der anderen Mägde kümmern. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
12.
F assungslos starrte Walther auf den Toten hinab und erinnerte sich, Stoppel in der Nacht noch schreien gehört zu haben, dass die Kosaken kämen. Danach war der frühere Förster verstummt und lag nun bleich und starr auf seinem Lager.
Ich hätte nach ihm sehen und ihn aus seinem Alptraum wecken sollen, schalt Walther sich. Vielleicht würde sein Freund dann noch leben.
Selbst der Gedanke, dass Stoppel den Tod nicht als Feind, sondern als Erlöser angesehen hatte, brachte ihm keinen Trost. Erschüttert schloss er die Augen des Freundes. Auch wenn Stoppel nur noch das Gnadenbrot auf Renitz erhalten hatte, wollte er sogleich im Schloss Bescheid sagen. Während er Weste und Rock anzog, wurde ihm immer klarer, dass ihm die Gespräche mit dem früheren Förster fehlen würden. Nun musste er ganz allein im Forsthaus hausen.
Niedergeschlagen öffnete er die Haustür und sah Frau Frähmke und Gisela den Weg heraufkommen.
»Euch führt der Himmel zu mir! Herr Stoppel ist heute Nacht verstorben«, begrüßte er sie.
»Was?« Erschrocken schlug Gisela das Kreuz.
Ihre Begleiterin senkte kurz den Kopf, um diese Nachricht zu verarbeiten, sah dann aber Walther durchdringend an. »Auch wenn mir der Tod dieses Mannes sehr nahegeht, so haben wir doch zunächst noch etwas zu besprechen. Kommt, setzen wir uns hier draußen auf die Bank.«
»Aber ich muss zum Schloss und Herrn Stoppels Ableben melden«, widersprach Walther.
»Das mache ich! Es kommt auf eine halbe Stunde nun nicht mehr an.« Die resolute Mamsell gab nicht eher auf, bis Walther und Gisela sich zusammen mit ihr an den Tisch neben der Eingangstür gesetzt hatten.
Dort ergriff sie die Hände der beiden. »Die schiere Not treibt uns zu dir, Walther. Wir brauchen deine Hilfe!«
»Ich helfe euch selbstverständlich! Was muss ich tun?«
»Gisela heiraten! Graf Diebold ist zurückgekehrt und wird sie, solange sie ohne männlichen Schutz ist, nicht in Ruhe lassen.«
»Aber sie will doch ihren Glauben nicht aufgeben!«
»Das wird sie, wenigstens nach außen hin. Du wirst ihr gewiss nicht verbieten, insgeheim zu ihrer Jungfrau Maria zu beten. Deren Hilfe werdet ihr beide ebenso nötig haben wie die unseres Herrn Jesus Christus.«
Während Luise Frähmke auf Walther einredete, wäre Gisela vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Wenn du nicht willst, verlasse ich lieber Renitz und gehe auf Tagelohn«, flüsterte sie unter Tränen.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich dich nicht heiraten will. Eigentlich will ich das ganz gerne. Es kommt jetzt nur so plötzlich! Ich … ich habe gedacht, du machst dir nicht viel aus mir.« Walther räusperte sich und sah sie lächelnd an. »Ich mag dich! Ich habe dich immer gemocht!«
»Ich dich auch! Doch wird es reichen, um gut zusammen hausen zu können?«, fragte Gisela kleinlaut.
»Viele Ehen haben mit sehr viel weniger begonnen und sind glücklich geworden. Das werdet ihr auch. Vertraut mir!«, erklärte Luise Frähmke mit Nachdruck und legte die Hände der beiden ineinander.
»Miteinander reden könnt ihr später. Jetzt heißt es rasch handeln. Da ihr beide in Graf Renitz’ Diensten steht, braucht ihr für die Heirat seine Erlaubnis. Ihr müsst ihn heimlich fragen, so dass Graf Diebold es nicht bemerkt – und unsere Gräfin nach Möglichkeit auch nicht. Daher werdet ihr zwei jetzt zum Schloss gehen, Seine Erlaucht aufsuchen und ihn um seine Erlaubnis bitten. Gebt acht, dass euch niemand sieht! Um Stoppel kümmere ich mich. Nun macht schon!« Die Mamsell versetzte sowohl Gisela wie auch Walther einen leichten Klaps und scheuchte die beiden auf. Dann faltete sie die Hände und bat den Herrgott, dass er dem jungen Paar seinen Segen geben möge.
Walther eilte mit so raschen Schritten Richtung Schloss, dass Gisela ihm kaum zu folgen vermochte. Für sie war dieser Weg eine Qual. Zwar liebte sie Walther und hatte sich in ihren Träumen oft vorgestellt, wie es wäre, mit ihm verheiratet zu sein. Doch dafür das Versprechen an ihrer Mutter brechen zu müssen erfüllte sie mit Angst. Den Lehren der katholischen Kirche zufolge war dies eine Sünde, für die sie in die Hölle kommen würde.
»Möchtest du ein wenig verschnaufen?«, fragte Walther, als er sie keuchen hörte.
Gisela sah ihn an wie ein waidwundes Reh. »Nein! Da es nun einmal sein muss, will ich es so schnell wie möglich hinter
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