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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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    Walther reichte ihr einen vollen Becher. »Auf dein Wohl!«
    »Auf das deine!«
    Beide tranken, und Walther entzündete mit einem Feuerzeug, das er aus einem alten Gewehrschloss gebastelt hatte, die Öllampe. Deren schwache Flamme vermochte kaum die Schatten der Dämmerung zu vertreiben, die als Vorboten der Nacht über das Land zogen.
    »Heute war ein aufregender Tag für uns. Wir sollten bald zu Bett gehen«, schlug Walther vor und fand, dass er sich anzüglich anhörte.
    »Ja, es war aufregend«, stimmte Gisela ihm zu. Insgeheim dachte sie, dass es vielleicht ganz gut war, wenn sie es rasch hinter sich brachten. Je eher sie sich an das Beisammensein im Bett gewöhnte, umso leichter würde es ihr in Zukunft fallen.
    »Wo schlafen wir? Hoffentlich nicht dort, wo der arme Stoppel gestorben ist«, fragte sie.
    Walther schüttelte den Kopf. »Stoppel hat zuletzt auf einem Strohsack geschlafen, der da drüben in der Ecke lag. Für uns steht das Bett in der Schlafkammer bereit. Keine Sorge, es ist breit genug für zwei.«
    »Das ist gut!« Neugierig geworden, öffnete Gisela die Tür und blickte auf das große, mit geschnitzten Jagdszenen geschmückte Bett. Da es frisch überzogen war und Kräuter für einen angenehmen Duft sorgten, nahm sie an, dass Luise Frähmke am Nachmittag ein paar Mägde geschickt hatte, das Zimmer in Ordnung zu bringen.
    »Das Bettzeug ist neu«, rief Walther überrascht. »Solch rot karierte Überzüge besitze ich nicht.«
    »Nimm es als Geschenk unserer treuen Freundin, Frau Frähmke«, antwortete Gisela und sah sich suchend um. Doch sie fand keinen Krug mit Wasser und keine Waschschüssel. »Wo kann ich mich zur Nacht bereitmachen?«, fragte sie.
    Damit brachte sie Walther in Verlegenheit, denn er hatte sich stets am Brunnentrog vor dem Haus gewaschen. Da er Gisela das nicht zumuten wollte, nahm er einen kleinen, hölzernen Bottich, füllte diesen draußen mit frischem Wasser und wirkte dabei wie ein kleiner Junge, der auf Lob aus war.
    Gisela suchte ihre Sachen zusammen, die Frau Frähmke hatte herüberbringen lassen, und wandte sich dann erneut an Walther. »Könntest du mich vielleicht einen Augenblick allein lassen?«
    »Aber natürlich!« Walther eilte so rasch hinaus, dass er beinahe über die eigenen Füße gefallen wäre, und wusch sich am Brunnentrog.
    Unterdessen zog Gisela sich bis aufs Hemd aus, putzte die Zähne mit einem Schafgarbenstengel und wusch sich dann mit einem feuchten Lappen. Zuletzt streifte sie das Hemd ab und schlüpfte in das Nachthemd, das Luise Frähmke ihr zum letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Bisher hatte sie es noch nicht getragen, doch in ihrer Hochzeitsnacht wollte sie nicht in einem einfachen Hemd im Bett liegen.
    Mit unruhig springendem Herzen wartete sie auf Walther. Es dauerte ein wenig, bis es an der Tür klopfte und er fragte, ob er eintreten dürfe. Rasch schlüpfte sie unter die Zudecke und zog sie hoch.
    »Du kannst kommen!«
    Gisela war erleichtert, dass die Lampe nur wenig Licht spendete, denn er war halbnackt. Doch was sie sehen konnte, gefiel ihr auch jetzt wieder. Mit den breiten Schultern und dem muskulösen Oberkörper sah Walther aus wie ein Mann, der kräftig zupacken konnte.
    Er ging um das Bett herum, kroch auf der anderen Seite unter die Decke, und sein Schatten an der Wand zeigte ihr, dass er sich der Unterhose entledigte. Zuerst wunderte sie sich darüber, dann lachte sie über sich selbst. Für das, was er vorhatte, brauchte er dieses Kleidungsstück wirklich nicht. Sie fragte sich, ob er auch von ihr verlangen würde, dass sie sich ganz auszog, und wusste nicht, ob sie dazu bereit war. Immerhin hatte sie schon lange nicht mehr beichten können und wollte nicht noch mehr Sünden auf sich laden. Sich dem eigenen Mann nackt zu zeigen war den Worten des Priesters nach, der sie in Hildesheim auf die Firmung vorbereitet hatte, eine schwere Sünde.
    Zum ersten Mal seit langem dachte Gisela wieder an die kleine Klostergemeinschaft, in der sie mehrere Jahre das Weihnachtsfest nach römischem Ritus hatte mitfeiern dürfen. Nachdem Gräfin Elfreda ihr verboten hatte, noch einmal hinzufahren, war es ihr nicht möglich gewesen, sich von Schwester Magdalena zu verabschieden. Dem letzten Brief der Nonne hatte sie entnommen, dass diese mittlerweile bei einem erkrankten Onkel wohnte, der Priester war, und diesen pflegte. Vielleicht hätte sie vor Diebolds Zudringlichkeiten zu Schwester Magdalena flüchten sollen. In dem Fall

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