Das goldene Ufer
Knüppel zwischen die Beine. »Ihr solltet Euch darüber im Klaren sein, dass der Transport der Stämme nach Bremen bis Ende Oktober abgeschlossen sein muss. Verzögert sich die Lieferung bis ins nächste Frühjahr hinein, erhaltet Ihr dafür einen geringeren Preis!«
»Dann hast du schlecht verhandelt, Walther. Sollte es dazu kommen, werde ich dir den Fehlbetrag vom Lohn abziehen!«
Trotz ihres schneidenden Tones war die Gräfin eher amüsiert. Ihrem Sohn würde es gefallen, Fichtner auf eine solche Weise bestraft zu sehen.
Walther fühlte, wie die Wut in ihm hochstieg, und alles in ihm drängte, der Gräfin den Krempel vor die Füße zu werfen, Gisela zu holen und mit ihr nach Bremen zu fahren, um von dort aus die Überfahrt nach New York oder Boston anzutreten. Ihm war jedoch schmerzhaft klar, dass ein Schreiben dieser hochmütigen Frau an die Bremer Behörden ausreichen würde, um sie dort festnehmen und nach Renitz zurückbringen zu lassen. Daher beherrschte er sich, vermochte sich aber bei seiner Antwort einer gewissen Ironie nicht zu enthalten.
»Euer Erlaucht sind zu gütig. Ich darf mich nun verabschieden!« Er verbeugte sich und verließ den Raum, ohne auf ihre Antwort zu warten.
Die Gräfin sah ihm nach und kniff die Lippen zusammen. Er ist ein Mann mit einem festen Willen, dachte sie. Wenn mein Sohn doch genauso wäre! Dann bedachte sie die Konsequenzen, die dies nach sich ziehen würde, und fand die jetzige Situation zufriedenstellend. Wäre Diebold wie Walther, hätte er ihr längst die Verwaltung der gräflich-Renitzschen Besitzungen aus den Händen genommen. Ihr selbst bliebe dann nicht mehr, als neben ihrem Gemahl zu sitzen, der die meiste Zeit des Tages schlief, und in irgendwelchen Journalen zu blättern.
Das Eintreten der Mamsell beendete Gräfin Elfredas Gedankengang. »Was gibt es?«
»Die Post ist gekommen, Euer Erlaucht. Wie es scheint, ist ein Brief Seiner Hochwohlgeboren, Graf Diebold, dabei!« Luise Frähmke überreichte die Briefe der Zofe, die wunschgemäß Diebolds Schreiben heraussuchte und ihrer Herrin überreichte.
Da ihr Sohn selten mehr als einmal im Monat einen Brief nach Hause schrieb, erbrach Gräfin Elfreda das Siegel mit einer gewissen Anspannung. Hatte Diebold sich nun doch gegen die geplante Heirat entschieden?, fragte sie sich und atmete auf, als sie las, dass Diebold in bestem Einvernehmen von seiner Braut und deren Eltern geschieden sei.
Dann aber wunderte sie sich, weil ihr Sohn eindringlich nach Fichtner fragte und wissen wollte, wie dieser sich in letzter Zeit benommen habe. Sie fragte sich, ob Walther sie bei den Verhandlungen mit den Holzaufkäufern betrogen und Diebold davon Wind bekommen haben könnte. Daher beschloss sie, den Holzeinschlag und alles, was damit zusammenhing, genau zu überwachen und sofort einzugreifen, wenn sie Unregelmäßigkeiten bemerkte oder auch nur vermutete. Als sie sich wieder dem Brief ihres Sohnes zuwandte, sah sie, dass dieser ganz zuletzt noch die Bemerkung hinzugefügt hatte, dass er nicht wie geplant eine Woche vor der Verlobungsfeier nach Renitz zurückkehren würde, sondern mehr als drei Wochen früher. Seltsamerweise machte er dies davon abhängig, dass Walther zu dem Zeitpunkt in Bremen oder sonst wo zu weilen habe, aber keinesfalls im Forsthaus oder im Schloss.
9.
O bwohl Gisela sich in diesen Tagen nach einem lieben Wort und nach Trost sehnte, so war sie doch froh, dass ihr Mann so beschäftigt war. Noch immer wagte sie ihm nicht zu gestehen, was Diebold ihr angetan hatte, und sie hatte ihm bisher auch nicht verraten, dass sie schwanger sein könnte.
Obwohl ihr Glaube es eigentlich verbot, hoffte sie zunächst, das Kind zu verlieren, denn sie wollte nicht die Frucht einer Vergewaltigung austragen. Dann dachte sie an die Möglichkeit, dass es doch Walthers Kind sein könnte, und wünschte sich, auf irgendeine Weise Klarheit zu bekommen. Doch niemand konnte ihr Gewissheit geben.
Um sich nicht im Forsthaus zu vergraben, besuchte sie zweimal in der Woche Cäcilie und Frau Frähmke im Schloss. Die beiden hatten jedoch kaum Zeit für ein Schwätzchen, denn sie mussten zusammen mit dem Verwalter des Gutes die Holzfäller und Fuhrknechte mit Lebensmitteln und Bier versorgen. Zwar hatte die Gräfin auch hier strengste Sparsamkeit befohlen, doch der Gutsverwalter drang darauf, die Leute ausreichend zu ernähren. Nur kräftige Männer konnten gute und schnelle Arbeit leisten, und er wollte die zum Gut gehörenden Knechte und
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