Das goldene Ufer
sondern von diesem Schwein Diebold gezeugt worden war. Im ersten Schrecken krallte sie sich die Hände in den Bauch, als wolle sie das, was darin heranwachsen mochte, aus sich herausreißen. Dabei versuchte sie sich verzweifelt an das zu erinnern, was erfahrenere Frauen als Cäcilie ihr über den weiblichen Mondzyklus und die empfangsbereiten Tage erzählt hatten. Der Gedanke, bis zur Geburt und darüber hinaus nicht zu wissen, ob ihr Kind von ihrem Mann oder ihrem Vergewaltiger stammte, ließ sie beten, nicht schwanger zu sein.
Unterdessen redete Cäcilie eifrig weiter. Da sie Gisela hatte heranwachsen sehen, war diese so etwas wie eine Tochter für sie, und so freute sie sich auf das Kleine. Bei diesem Überschwang gelang es der jungen Frau nur mit Mühe, ruhig zu bleiben und nicht alles aus sich herauszuschreien.
Wenig später kam auch die Mamsell dazu und wurde von Cäcilie sofort in Kenntnis gesetzt, dass Gisela schwanger sein könnte. Luise Frähmkes sonst so strenges Gesicht leuchtete auf. »Da freust du sich wohl sehr, nicht wahr?«, sagte sie und tätschelte Giselas Hand.
Worüber soll ich mich freuen?, durchfuhr es Gisela. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Ihre Hände zitterten, und sie spürte, dass sie sich nicht mehr lange würde beherrschen können. Mit einer resignierenden Bewegung stand sie auf. »Es tut mir leid, aber ich gehe doch besser wieder nach Hause und lege mich hin. Ich fühle mich wirklich nicht gut.«
»Das ist ganz normal. Viele Frauen, die mit einem Kind schwanger gehen, müssen mit Übelkeit und Schwächegefühlen kämpfen. Das legt sich bald, und bei den nächsten Kindern wirst du es kaum mehr spüren.« Mit diesen Worten wollte die Mamsell Gisela beruhigen.
Cäcilie bereitete ihr einen Trank, der ihren Worten zufolge gegen alle Ärgernisse einer Schwangerschaft helfen sollte. »Das Rezept stammt noch von meiner Großmutter. Es hat sogar Ihrer Durchlaucht geholfen, als sie Graf Diebold in sich trug«, setzte sie mit einem aufmunternden Lächeln hinzu.
Die Erwähnung dieses Namens war Giselas Seelenfrieden nicht gerade zuträglich. Da sie in dem Moment Widerwillen gegen alles empfand, was mit dem jungen Grafen und Schloss Renitz zusammenhing, wollte sie auch den Absud nicht trinken. Aber sie wurde von Cäcilie und Frau Frähmke dazu genötigt. Hinterher war ihr so übel, dass sie zur Küche hinausstürzte, um nicht dort zu erbrechen. Sie kam gerade noch bis zum Garten, dann rebellierte ihr Magen. Doch da sie bereits am Morgen alles von sich gegeben hatte, würgte sie jetzt nur Flüssigkeit und gelbe Galle hervor. Danach fühlte sie sich so elend, dass sie zu sterben wünschte. Mit wundgeschlagener Seele kehrte sie zum Forsthaus zurück und kroch ins Bett. Obwohl sie glaubte, in diesem Leben nie mehr Ruhe zu finden, schlief sie rasch ein und wachte selbst dann nicht auf, als Walther mit dem Herrn aus Bremen das Forsthaus betrat, um sich mit ihm zu besprechen.
7.
D ie mächtigen Baumriesen des Renitzer Forstes imponierten dem Holzaufkäufer. Dennoch tat er so, als wüsste er nicht, ob er auf das Angebot eingehen sollte, das Walther ihm im Namen der Gräfin unterbreitet hatte. Er ließ sich ein Glas von dem Schnaps einschenken, der in der gutseigenen Brennerei hergestellt wurde, und sah den jungen Förster mit zweifelnder Miene an.
»Es ist ja alles schön und gut«, meinte er. »Aber es wird eine Höllenarbeit sein, die Baumstämme von hier nach Bremen zu schaffen. Ich weiß nicht, ob ich mir das antun soll.«
Walther begriff, dass das ein Versuch war, den Preis zu drücken. Doch das durfte er nicht zulassen, wenn er sich nicht den Zorn der Gräfin zuziehen wollte.
»Schade«, sagte er und hob bedauernd die Hände. »Ihre Erlaucht wäre gerne mit Ihnen ins Geschäft gekommen. Doch wie es aussieht, muss ich einen anderen Käufer suchen.«
»In Bremen werden Sie keinen finden, Herr Fichtner. Wir machen uns gegenseitig keine Konkurrenz.« Der Holzkaufmann glaubte, damit einen Trumpf in der Hand zu halten, doch Walther schüttelte den Kopf.
»Ich dachte nicht an Bremen, sondern an Hamburg. Auch dort werden große Stämme für Masten und Rümpfe gebraucht.«
Die Miene des Bremer Herrn nahm einen überheblichen Ausdruck an. »Und wie wollen Sie die Stämme nach Hamburg schaffen? Sie können es nur über Fuhse, Aller und Weser nach Bremen flößen.«
Walther lächelte. »Es ist zwar ein gewisser Aufwand, die Stämme über Land von Celle nach Uelzen zu schaffen, doch wenn ein
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