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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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lehnte. Sie schlich zu der Waffe, hob sie auf und schlug sie auf den jungen Grafen an. Als sie die Waffe spannte, wurde das Knacken durch Diebolds spöttische Worte übertönt. Einen Augenblick zögerte sie noch, doch als sie sah, wie Diebold den rechten Zeigefinger krümmte, feuerte sie beide Läufe ab.
    Der Rückstoß traf sie wie der Huf eines bockenden Pferdes, und sie ließ die Büchse mit einem Schmerzensschrei fallen. Dann starrte sie mit weit aufgerissenen Augen auf Diebold, dessen Rock auf einmal so aussah, als hätten ihn die Motten zerfressen. Er blutete aus etlichen Wunden, stand aber noch. Auch bewegte er den Mund, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Der Arm, mit dem er die Pistole hielt, sank langsam nieder. Einer der beiden Läufe rauchte, also hatte auch er geschossen, und zwar zur gleichen Zeit wie sie.
    Erschrocken drehte Gisela sich zu Walther um. Doch der stand noch aufrecht und schien unverletzt zu sein. Nun trat er auf Diebold zu und fasste nach dessen Waffe.
    »Vorsicht, er hat noch einen Schuss!«, warnte er Gisela, als sie ihm helfen wollte. Im gleichen Moment stürzte Diebold zu Boden und blieb starr liegen. Der zweite Schuss löste sich, doch die Kugel klatschte in die Mauer, ohne Schaden anzurichten.
    Gisela lief auf Walther zu und schlang ihre Arme um ihn. »Der Himmelsmutter sei Dank! Ich hatte so große Angst um dich!«
    Mit sanften Bewegungen strich Walther ihr über das Haar. »Es ist vorbei! Dieser Mann wird uns nie mehr bedrohen.« Mit diesen Worten versetzte er sie jedoch in Panik.
    »Ich habe ihn umgebracht! Dafür werden sie mich aufs Schafott schicken.«
    Nun begriff auch Walther, dass ihre Probleme mit Diebolds Tod nicht gelöst waren, sondern erst richtig begannen. Er sah den Leichnam zu seinen Füßen an und versuchte, seine wirr durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen.
    »Ich nehme die Schuld auf mich. Wenn wir bei der Wahrheit bleiben und erklären, dass er dich vergewaltigen wollte und ich hinzukam, bleibt mir vielleicht das Fallbeil erspart.«
    Erregt schüttelte Gisela den Kopf. »Das wird die Gräfin niemals zulassen! Du weißt, sie hat Einfluss in den höchsten Kreisen. Zudem ist sein Vater ein Kriegsheld. Also werden sie uns beide verurteilen und hinrichten.«
    »Da hast du wohl leider recht. Elfreda von Renitz wird nicht eher aufgeben, bis der Tod ihres Sohnes an uns beiden gesühnt ist.« Walther traf die Erkenntnis, dass Gisela und er unweigerlich dem Tod durch das Fallbeil entgegensahen, mit voller Wucht. Sollte das das Ende all seiner Bestrebungen sein? Doch welche Möglichkeiten boten sich ihnen noch?
    Gisela zitterte wie Espenlaub, denn sie konnte die Tatsache, einen Menschen erschossen zu haben, kaum ertragen. Gleichzeitig aber fühlte sie sich zum ersten Mal, seit sie Diebold begegnet war, wieder frei, und diese Freiheit durfte nicht auf dem Richtplatz enden.
    Entschlossen drehte sie sich zu Walther um. »Wir haben die Wahl, hier sitzen zu bleiben und zu warten, bis uns das Schicksal ereilt, oder zu fliehen. Ich für meinen Teil ziehe Letzteres vor.«
    »Wohin sollten wir fliehen?«, fragte Walther und gab sich selbst die Antwort. »Wenn wir nach Amerika wollen, müssen wir schnell sein. Ab dem Augenblick, in dem Diebolds Leichnam gefunden wird, werden sie uns jagen wie Hasen.«
    »Dann sollten wir zusehen, dass er nicht zu rasch gefunden wird. Warte, ich hole eine Decke. Wir wickeln ihn darin ein, und du versteckst ihn an einer schwer zugänglichen Stelle im Wald. Aber beeile dich! Ich wische unterdessen das Blut so gut wie möglich auf, damit man nicht sofort sieht, was hier geschehen ist.« Gisela holte die Decke, doch als Walther Diebold darin einhüllen wollte, gebot sie ihm Einhalt.
    »Warte einen Augenblick! Dieser Mann ist uns noch etwas schuldig.« Sie durchsuchte Diebolds blutgetränkte Kleidung, bis sie seinen Geldbeutel fand, und nahm diesen an sich. »Ab diesem Augenblick gelten wir als Raubmörder«, sagte sie mit leiser Stimme. »Wenn man uns jetzt fängt, kann uns niemand mehr das Schafott ersparen!«
    »Die Gräfin würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass wir den Kopf unter dem Fallbeil verlieren«, antwortete Walther, wickelte den Toten ein und warf ihn sich über die Schulter.

15.
    W alther und Gisela verließen das Forsthaus kurz vor Anbruch der Dämmerung. Als Gepäck nahmen sie nur ein wenig Wäsche zum Wechseln und etwas Ersatzkleidung, ihr Geld, Walthers Pass und einige Bücher mit. Unter diesen befand sich der Leitfaden

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