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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gisela und er mussten ein Land erreichen, in dem Preußens Forderungen nur selten und eher widerwillig nachgegeben wurde, und das einzige, das in Frage kam, war Frankreich. Die Grenzen dieses Landes konnten sie mit ihren finanziellen Mitteln in absehbarer Zeit erreichen. Allerdings würde diese Reise insgesamt weitaus länger werden als nach Bremen und ihre finanziellen Reserven stark beanspruchen.
    Walther erinnerte sich, gelesen zu haben, dass Le Havre einer der größten Auswandererhäfen des Kontinents sein sollte. Gelänge es ihnen, bis dorthin zu gelangen, könnten sie in der Masse der Reisenden untertauchen. Dafür aber musste er seinen Pass ändern. Bei dem Gedanken wurde ihm mulmig, denn Passvergehen wurden hart bestraft. Andererseits drohte ihnen, wenn sie gefasst wurden, ohnehin das Fallbeil. Also war es besser, ein gewisses Risiko auf sich zu nehmen, als wie ein Schaf darauf zu warten, dass man sie festnahm.
    Als der Morgen graute, hatten sie zwar nicht viele Meilen zurückgelegt, dafür aber die Grenze zwischen Preußen und dem Königreich Hannover auf einem Feldweg passiert, ohne dass ein Zöllner auf sie aufmerksam geworden wäre. Ein Stück außerhalb des Ortes, in dem sich die Poststation befand, hielt Walther das Pferd an, stieg steifbeinig aus dem Sattel und hob Gisela herab. »Ich würde es dir gerne ersparen, aber wir werden die restliche Strecke zu Fuß gehen müssen.«
    »Bis nach Amerika?«, murmelte Gisela schlaftrunken.
    »Nein, nur bis zur Poststation.« Walther schüttelte sie ein wenig, damit sie munter wurde, dann nahm er dem Pferd das Zaumzeug aus dem Maul und klopfte ihm auf die Kruppe.
    »Jetzt müssen sich unsere Wege trennen, mein Guter. Wenn du klug bist, läufst du nach Renitz zurück, ohne dass ein Rosstäuscher dich einfängt.«
    Es war, als hätte der Gaul ihn verstanden, denn er machte kehrt und lief in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.
    »Weshalb hast du das getan?«, fragte Gisela verwundert. »Wir hätten das Pferd doch verkaufen und gutes Geld dafür erlösen können.«
    »Und wären prompt aufgefallen. Ein Pferd, das den Renitzer Brand trägt, hätte die Verfolger auf unsere Spur gebracht. So aber sind wir zwei harmlose Reisende, die mit der nächsten Postkutsche fahren wollen. Laut des Meilensteins dort drüben ist es noch eine Viertelmeile bis zur Poststation, und die werden wir zu Fuß zurücklegen. Gib mir dein Gepäck! Ich will nicht, dass du so viel tragen musst.«
    Walther wollte nach Giselas Packen greifen, doch sie hielt ihn fest. »So schwer ist es nicht!«
    Um zu zeigen, dass sie recht hatte, marschierte sie stramm auf die Stadt zu. Walther folgte ihr lächelnd, denn er war stolz auf seine tapfere, beherrschte Frau.

16.
    B ald fanden Walther und Gisela sich zwischen Ochsenkarren und robusten Gestalten in ländlicher Tracht und schweren Kiepen auf dem Rücken wieder, die alle nach Zellerfeld strömten, um ihre Waren auf dem Markt feilzubieten. Die Menschenmenge erwies sich als Vorteil, denn das Stadttor stand weit offen, und die Wachtposten hätten einen Auflauf verursacht, wenn sie sich von jedem der Bauern und Marktweiber Passierscheine oder Pässe hätten zeigen lassen. So winkten die Männer die Landleute durch, und Walther und Gisela wurden mit ihnen in die Stadt gespült. Kurze Zeit später standen sie vor der Poststation, vor der bereits Wechselpferde für eine Postkutsche bereitgestellt wurden.
    Walther trat auf einen der Knechte zu. »Ihr habt ja viel Arbeit heute.«
    »Es geht. Gleich kommt die Nachtpost aus Braunschweig. Die Herrschaften wollen zügig bedient werden, denn sie haben viel Geld bezahlt, um rasch nach Kassel zu kommen.« Damit wandte der Knecht sich ab, um das nächste Pferd zu holen.
    Walther kehrte zu Gisela zurück und wies auf das Gespann. »Die sind für die Postkutsche nach Kassel. Ich will zusehen, ob wir noch zwei Plätze bekommen. Du solltest dich inzwischen in die Gaststube setzen und etwas Warmes trinken.«
    »Mir hebt sich bereits bei dem Gedanken an Essen und Trinken der Magen«, antwortete Gisela bedrückt.
    »Du musst etwas zu dir nehmen, denn du wirst in den nächsten Tagen viel Kraft brauchen.«
    Mit einer energischen Geste hakte er sich bei Gisela unter und führte sie in die Gaststube. »He, Wirt, einen Krug Bier und eine Tasse Kaffee, wenn es genehm ist.«
    »Mir ist’s genehm, mein Herr«, antwortete der behäbige Mann hinter dem Schanktisch und deutete eine Verbeugung an. »Wollen Sie ein

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