Das goldene Ufer
flüsterte sie.
»Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht!« Walther richtete sich auf und spürte, dass er mehr abbekommen hatte, als ihm im ersten Moment bewusst gewesen war.
Nicht weit von ihm standen der Geschäftsmann und der Priester zusammen und redeten heftig auf den Helfer des Postillions ein. Der selbst war nirgends zu sehen. Dafür lag eines der Gespannpferde verletzt am Boden. Wie es aussah, hatte es sich ein Bein gebrochen.
»Das arme Tier«, flüsterte Gisela, als sie Walthers Blick bemerkte.
»Der Postillion wollte es in der Wurst sehen, und jetzt wird es wohl dazu kommen. Ich wollte, stattdessen hätte sich der Kerl ein Bein gebrochen. Wo steckt der Mann eigentlich?« Walther sah sich suchend um.
»Der hat sich gerade bei der Eiche dort vorne hingelegt. Wahrscheinlich will er seinen Rausch dort ausschlafen, anstatt sich um ein Gespann und seine Fahrgäste zu kümmern!«, antwortete der Geschäftsreisende grollend.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Walther.
»Als Erstes musst du dir etwas anderes anziehen. Du bist völlig durchnässt und außerdem sehr schmutzig«, erklärte Gisela.
Der Helfer des Postillions brachte bereits eine Decke. »Wickeln Sie sich darin ein, damit Sie sich nicht erkälten. Einer der anderen Herren sollte inzwischen die Straße weitergehen, bis er auf ein Dorf trifft, und dort Hilfe anfordern.«
»Und was machst du?«, fragte der Geschäftsreisende verärgert.
»Ich muss mich um die Pferde kümmern. Ihre Stränge haben sich verwirrt, und die Tiere sind verletzt. Er kann es ja nicht!« Mit dem Kopf wies der Mann in Richtung des schnarchenden Postillions, zog sein Messer und begann, die Lederriemen der Pferdegeschirre zu durchtrennen.
Zwischen dem Priester und dem Geschäftsmann entspann sich ein kurzer Disput, wer von beiden gehen sollte. Schließlich gab der Priester nach und verließ mit verbissener Miene den Ort des Unglücks, während der andere Passagier zu der umgestürzten Kutsche trat und unter den am Boden liegenden Kisten und Bündeln sein Gepäck heraussuchte. Walther gesellte sich zu ihm und nahm seinen Koffer und Giselas Tasche an sich. Dabei sah er sich um, ob es irgendwo einen Teich oder einen Bach gab, an dem er sich den Schlamm von Gesicht und Händen waschen konnte. Er hätte auch gerne seine Kleider gewechselt und hoffte auf ein paar dicht stehende Bäume oder ein Gebüsch, hinter das er sich zurückziehen konnte. Doch der Boden rechts und links der Straße bestand aus Morast, den man nirgends überqueren konnte, ohne darin zu versinken. Kurz erwog er, in den umgestürzten Kutschkasten zu klettern, aber dafür fühlte er sich zu zerschlagen.
Daher setzte er sich in die Decke gehüllt zu Gisela.
»Wie geht es dir?«, fragte er und schämte sich, weil er zuerst nur an sich selbst und nicht an sie gedacht hatte.
Über Giselas Gesicht huschte ein Ausdruck, der einem Lächeln gleichkommen sollte. »Sorge dich nicht um mich. Ich bin ohne Schaden davongekommen. Doch wie ist es mit dir? Ich dachte schon, die umstürzende Kutsche hätte dich erschlagen.«
»Der Straßengraben hat mich gerettet. Ich sollte daher nicht allzu traurig darüber sein, dass meine Kleidung dabei Schaden genommen hat. Stoff kann man waschen und flicken, was bei mir nur in Maßen geht.« Nun lächelte auch Walther.
Während der Geschäftsmann einen Monolog anstimmte, in dem er den Kutscher, dessen Helfer, die Postkutschenbetreiber und im Grunde die ganze Welt für dieses Unglück verantwortlich machte, hielten Walther und Gisela einander an den Händen und waren sich so nahe wie seit dem Tag ihrer Flucht nicht mehr.
Da der Gehilfe des Postillions allein nicht mit den Pferden zurechtkam, rieb Walther sich den schlimmsten Schmutz mit etwas Gras ab und half dem Mann. Gemeinsam gelang es ihnen, die Pferde von ihren Strängen zu befreien und zur Seite zu führen. Bei dem Gaul mit dem gebrochenen Bein waren sie jedoch mit ihrem Latein am Ende.
»Ich glaube nicht, dass das Tier wieder auf die Beine kommt«, erklärte Walther. »Es wäre besser, sein Leiden zu beenden. Ich habe im Koffer meine Büchse dabei. Wenn Sie wollen, erschieße ich das Pferd.«
Der Postknecht wehrte erschrocken ab. »Um Gottes willen! Wenn Sie das tun, zieht mir der Posthalter das Tier vom Lohn ab. Was mit dem Pferd geschieht, müssen dieser selbst oder sein Stellvertreter entscheiden.«
Walther tat es leid um das Tier, das schwach und elend auf der Straße lag und kaum mehr die Kraft hatte, den Kopf zu
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