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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Knirschen und blickte durch das Fenster des Schlags. Wie es aussah, hatte die Kutsche eben mit ihrem Hinterrad einen der steinernen Pfosten der Hofeinfahrt gestreift.
    Walthers Besorgnis stieg, als Kassel hinter ihnen zurückblieb und der Kutscher sein Gespann mit wüsten Flüchen und dem Gebrauch der Peitsche zu immer größerer Geschwindigkeit antrieb.
    »Wollt ihr wohl laufen, ihr elenden Zossen! Der Teufel soll euch holen, wenn ihr nicht schneller werdet. Solche Schnecken wie ihr gehören in die Wurst und nicht vor eine Kutsche!« In dieser Art ging es die ganze Zeit weiter. Während die Pferde liefen, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her, schwankte die Kutsche bedenklich.
    Walther musste sich selbst und Gisela festhalten, damit sie nicht bei den unvermeidlichen Schlaglöchern durch den Kutschkasten geschleudert wurden. Auf der gegenüberliegenden Bank schob der Priester einen Arm durch die Lederschlaufe, faltete die Hände und begann zu beten. Da er sich dabei nicht richtig festhalten konnte, stieß er immer wieder mit dem Geschäftsmann zusammen.
    Schließlich platzte diesem der Kragen, und er versetzte dem Geistlichen einen Knuff. »Geben Sie doch gefälligst acht! Oder glauben Sie, es macht mir Freude, wenn Ihre dürren Ellbogen in meinen Rippen landen?«
    »Der Postillion ist ja noch betrunkener als vorhin«, jammerte der Priester und fand, dass er auch beten konnte, wenn er sich mit beiden Händen festhielt.
    Unterdessen war Gisela durch das Geschaukel der Kutsche wach geworden und sah sich verwirrt um. »Wo sind wir?«
    »In einer Kutsche, die vom liebsten Knecht des Teufels persönlich gefahren wird«, antwortete der Geschäftsmann an Walthers Stelle. »Wenn ich gewusst hätte, wie betrunken der Kerl ist, wäre ich ebenfalls in Kassel ausgestiegen, um auf die nächste Kutsche zu warten. Dort aber hatte ich noch befürchtet, mich dann mit zu vielen Mitreisenden in der Kutsche zusammenquetschen oder gar mit einem Platz auf dem Bock vorliebnehmen zu müssen. Doch selbst das wäre besser gewesen, als hier in diesem Höllengefährt zu sitzen und nur hoffen zu können, dass wir die nächste Poststation heil erreichen. Dort steige ich aus, und es setzt eine geharnischte Beschwerde an die Betreiber dieser Postlinie, das kann ich Ihnen flüstern!«
    Der Mann flüsterte nicht, sondern überschrie den Lärm der Pferdehufe und der eisenbereiften Räder, um verstanden zu werden.
    Längst fragte Walther sich, ob es wirklich ein Glück für ihn gewesen war, einen Platz in dieser Postkutsche zu finden. So, wie der Postillion sein Gespann antrieb, würde es einem Wunder gleichkommen, wenn sie ihr Ziel heil erreichten.
    Plötzlich spitzte er die Ohren. »Hören Sie das auch? Irgendetwas ist mit der Kutsche nicht in Ordnung!«
    »Ich höre nichts«, knurrte der Geschäftsmann.
    Gisela krallte die Finger in Walthers rechten Unterarm. »Du hast recht. Da stimmt etwas nicht – hier an meiner Seite! Es ist, als würde etwas gegen den Kutschkasten schlagen.«
    »Wir müssen es dem Postillion sagen, damit er anhält und nachschaut. Wenn der Wagen beschädigt ist, muss er seinen Gehilfen ins nächste Dorf schicken, damit ein Wagner oder Schmied die Kutsche reparieren kann!« Noch während Walther dies sagte, stand er auf, um gegen das Kutschdach zu klopfen, damit der Postillion aufmerksam wurde.
    Im selben Augenblick krachte es fürchterlich. Walther sah durch das Fenster das Hinterrad davonrollen, welches bei der Abfahrt den Pfosten des Eingangstores gestreift hatte. Dann neigte die Kutsche sich zur Seite und kippte um. Er versuchte noch, sich festzuhalten, wurde aber wie von einer Riesenfaust gegen die Kutschentür geschleudert. Diese gab unter ihm nach, und er stürzte hinaus. Er sah noch, wie die Kutsche auf ihn zukippte, und schaffte es irgendwie, in den Straßengraben zu rutschen.
    Dieser war voll Wasser und die Kutsche drückte ihn immer tiefer in die braune Brühe. Verzweifelt hangelte Walther sich an dem glitschigen Wagenkasten entlang, um freizukommen. Er glaubte bereits, ertrinken zu müssen, als er den Rand der Kutsche ertastete und sich mit letzter Kraft herauszog.
    Er spuckte erst einmal das schlammige Wasser aus, das ihm in den Mund geraten war, und sog dann die Luft tief in die Lungen. Jemand fasste nach seiner Hand, und er vernahm heftiges Schluchzen. Als er aufblickte, sah er Giselas Gesicht über sich. Tränen glänzten auf ihren Wangen, und ihr Mund zuckte.
    »Ich glaubte dich bereits verloren!«,

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