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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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fragen. Vielleicht findet Ihre werte Frau Gemahlin ein Plätzchen darin und er lässt Sie oben auf dem Kutschbock sitzen.«
    »Es wäre mir sehr lieb, wenn wir mit dieser Kutsche weiterfahren könnten und nicht auf die nächste warten müssten.« Eine Münze begleitete Walthers Worte.
    Der Wirt steckte sie ein und grinste. »Zumal die nächste Kutsche gewiss auch voll sein dürfte. Aber Ihre werte Frau Gemahlin ist ja schlank wie eine Birke. Da werden wir schon etwas finden.«
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden.« Walther fand, dass er auf den Schreck, der ihm bei Abeggs Verhaftung in die Glieder gefahren war, einen Schluck Kaffee brauchen konnte. Daher kehrte er zu Gisela in das kleine Extrazimmer zurück, das er für das Frühstück angemietet hatte.
    Gisela eilte auf ihn zu und fasste ihn am Rock. »Was war draußen los? Ich habe durchs Fenster einen Gendarmen gesehen.«
    »Der gute Mann hat einen Aufrührer gesucht, einen jener politischen Hasardeure, die wider die von Gott gebotene Ordnung löcken.« Da eben eine Wirtsmagd ins Zimmer kam, sprach Walther so empört wie ein obrigkeitshöriger Bürger.
    Da Gisela seine wahre politische Überzeugung kannte, zog sie überrascht die Augenbrauen hoch, bemerkte dann aber die Magd und bewunderte ihren Mann für seine geschickte Reaktion. »Wenn das so ist, können wir froh über die Verhaftung dieses Individuums sein.«
    Sie bedankte sich bei der Magd und atmete tief durch, als diese wieder gegangen war. »Mir ist vorhin wirklich der Schreck in die Glieder gefahren. Ich glaubte uns schon erkannt«, sagte sie leise.
    »Auch ich dachte für einen Moment, es wäre zu Ende. Doch wie es aussieht, wird man in Preußen schärfer verfolgt, wenn man an eine Hauswand den Satz ›Der König ist ein Narr!‹ schreibt, als wenn man jemanden erschießt.«
    Giselas Handbewegung warnte ihn, dass jemand kam, und als er sich umdrehte, sah er den Wirt in der offenen Tür stehen.
    »Die Frankfurter Kutsche ist eben angekommen«, meldete dieser. »Es sind sogar noch mehrere Plätze frei, da einige Herrschaften hierbleiben und auf die nächste Postkutsche warten wollen.«
    Walther war zu erleichtert, um über die letzte Bemerkung nachzudenken. »Herzlichen Dank! Wir kommen gleich«, sagte er zu dem Wirt und blickte Gisela auffordernd an. »Wir müssen weiter!«
    »Ich weiß!«
    Gisela nahm die große Tuchtasche, die sie nun anstelle des Bündels trug, und Walther den Koffer, der groß genug war, um neben anderen Dingen auch seine Doppelbüchse unterzubringen. Dann folgten beide dem Wirt zur Kutsche und stiegen ein.
    Das Wageninnere war leer, und es roch darin so säuerlich, als hätte jemand erbrochen. Auch war der Kutschkasten nicht richtig gesäubert worden. Walther nahm an, dass dies der Grund für die Passagiere gewesen war, hier auszusteigen und auf die nächste Post zu warten. Doch das konnten Gisela und er sich nicht leisten. Er half ihr, Platz zu nehmen, setzte sich neben sie und hielt sie fest.
    »Lehne dich ruhig an mich, damit du schlafen kannst«, raunte er ihr ins Ohr.
    »Du bist so gut zu mir«, murmelte sie und schlief ein, noch ehe der Kutscher die anderen Passagiere aufforderte, wieder einzusteigen.
    Bei diesen handelte es sich nur um zwei Männer. Einer davon war ein katholischer Priester, der andere seinem Anzug nach ein gut situierter Geschäftsmann. Während der Geistliche ohne Protest gegen die Fahrtrichtung Platz nahm, knurrte der andere Walther an. »Sie sitzen auf meinem Platz!«
    »Sind Sie der Eigentümer dieser Postlinie?«, fragte Walther verärgert.
    »Natürlich nicht, aber ich bin die ganze Zeit hier gesessen«, sagte der Geschäftsmann und fasste Walther an der Schulter, um ihn hochzuziehen.
    Da griff der Priester ein. »Verzeihen Sie, aber das stimmt nicht. Sie sind in der anderen Ecke gesessen, doch nachdem die Gouvernante, die bislang mit uns gefahren ist, neben Ihnen erbrochen hat, wollten Sie nicht mehr dort bleiben.«
    »Ein entsetzliches Weib! Ich konnte gerade noch verhindern, dass sie meine Kleidung beschmutzt hat!« Der Geschäftsmann war zwar immer noch aufgebracht, richtete aber seinen Zorn nicht mehr auf Walther, sondern auf jene unbekannte Frau, der es auf der letzten Teilstrecke übel geworden war. Da er dabei recht laut wurde, wollte Walther ihn bitten, seine Stimme zu mäßigen, damit Gisela schlafen konnte.
    Da klang die Peitsche des Postillions auf, und die Kutsche setzte sich in Bewegung. Als sie aus dem Hof fuhren, hörte Walther ein

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