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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gehörenden Gebiete Westfalens wie auch die Rheinprovinz umgehen und über die bayrische Pfalz Frankreich erreichen. Hatten sie erst einmal die französische Grenze passiert, wären sie vor den preußischen Behörden sicher.
    »Also gut, wir reisen weiter, mein Schatz. Ich werde jetzt zusehen, ob ich zwei Plätze in der nächsten Postkutsche bekomme. Soll ich den Wirt bitten, dir inzwischen ein Zimmer mit Bett anzuweisen, damit du ein wenig schlummern kannst?«
    Erneut schüttelte Gisela den Kopf. »Hernach bekommst du mich nicht mehr wach, und die Kutsche fährt ohne uns ab. Ich werde eine Tasse Kaffee trinken und ein paar eingelegte Gurken essen. Auf die habe ich just Appetit. Schlafen kann ich, wenn wir unterwegs sind.«
    »Um diese Fähigkeit beneide ich dich. Ich bekomme in der rappelnden Kutsche kein Auge zu.« Walther schenkte Gisela ein liebevolles Lächeln und verließ das Gasthaus. Als er auf den Hof hinaustrat, bog ein Gendarm um die Ecke. Dieser hielt einen Zettel in der Hand und musterte jeden, der hier auf seine Postkutschen wartete, mit scharfem Blick.
    Im ersten Schrecken wollte Walther ins Haus zurückweichen, sagte sich aber, dass er sich damit nur verdächtig machen würde. Daher ging er an den Gespannen vorbei, die eben auf den Hof geführt wurden, klopfte einem der Gäule auf die Kruppe und fragte dann einen Passagier nach der Uhrzeit.
    »Schauen Sie auf den Kirchturm«, blaffte der Mann ihn an, kehrte ihm den Rücken und schritt auf die Hintertür des Gasthauses zu. Da stellte der Gendarm sich ihm in den Weg.
    »Einen Augenblick! Wie lautet Ihr Name?«
    Der Passagier tat so, als gelte die Frage Walther, und wollte an dem Gendarmen vorbeischlüpfen.
    Der packte ihn jedoch am Arm. »Halt, Freundchen! Ich habe Sie etwas gefragt.«
    Die Höflichkeit des Gendarmen war wie weggeblasen, und er hielt dem anderen das Papier unter die Nase. »Die preußischen Behörden suchen einen Aufrührer, der beleidigende Äußerungen über Seine Majestät, König Friedrich Wilhelm, und unseren allergnädigsten Kurfürsten Wilhelm II. gemacht und das Volk gegen die Obrigkeit aufgehetzt hat. Das Signalement des Schurken entspricht ganz dem deinen.«
    Aber wohl auch dem meinen, dachte Walther und war erleichtert, dass er nicht aufgefallen war.
    Der Passagier sah den Gendarmen von oben herab an. »Sie irren sich, mein Guter. Ich bin Karl Emanuel Abegg aus Erfurt und in Geschäften unterwegs.«
    »Zeigen Sie mir Ihren Pass!«, forderte der Gesetzeshüter ihn auf.
    Der Mann kramte in seiner Westentasche, brachte schließlich ein zerknittert aussehendes Dokument zum Vorschein und reichte es dem Gendarmen. Der Beamte nahm den Pass, faltete ihn auf und musterte ihn lange. Dann hob er ihn über den Kopf und hielt ihn gegen die Sonne. Als er sich Abegg wieder zuwandte, grinste er. »Dachte ich es mir doch! Der Pass ist gefälscht. Sie haben den Namen, auf den er ausgestellt wurde, ausradiert und durch einen anderen ersetzt. Mitkommen!«
    Da riss sich der Mann los und rannte auf das Hoftor zu.
    »Haltet ihn auf!«, brüllte der Gendarm.
    Während der Knecht am Tor wie erstarrt stand, schwang einer der Postillione seine Peitsche. Die Schnur wickelte sich um Abeggs Unterschenkel und brachte ihn zu Fall. Bevor der Mann wieder auf die Beine kam, waren der Gendarm und zwei weitere Männer über ihm und bogen ihm die Arme auf den Rücken.
    Walther sah entsetzt zu, wie Abegg verhaftet wurde, zumal ihm klar war, wie knapp er selbst dem Verhängnis entgangen war. Hätte der Polizist seinen Pass sehen wollen, wären ihm die Änderungen darauf ebenfalls nicht entgangen. Er begriff, dass er es nicht riskieren konnte, seine Papiere ernsthaft prüfen zu lassen. Ob Gisela und er die einzelnen Grenzen doch wieder heimlich und zu Fuß überqueren sollten, um ungesehen an den Grenzbeamten vorbeizukommen? Nein, das konnte er ihr nicht zumuten. Gisela war bereits jetzt mit ihren Kräften am Ende, und es lag noch ein langer Weg vor ihnen.
    Auf alle Fälle erschien es ihm wichtig, rasch von hier fortzukommen. Daher trat er auf den Wirt zu. »Guter Mann, welche Postkutschen treffen als nächste ein?«
    »Als nächste kommt die nach Frankfurt am Main, wenn es genehm ist.«
    »Das trifft sich gut. Frankfurt ist nämlich das Ziel unserer Reise. Glauben Sie, dass meine Frau und ich noch einen Platz in der Kutsche finden werden?«
    Der Wirt wackelte unschlüssig mit dem Kopf. »Die Frankfurter Kutsche ist immer gut besetzt. Aber ich werde den Postillion

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