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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gaststube hinabgehen und etwas essen. Ich muss schließlich bei Kräften bleiben.«

9.
    O bwohl Walther nach dem Lesen des skurrilen Steckbriefs überzeugt war, vor Verfolgern sicher zu sein, wollte er nicht länger als nötig in Frankfurt bleiben. Daher verließ er am nächsten Morgen zusammen mit Gisela die Poststation und suchte eine Postlinie auf, die nach Süden in Richtung Straßburg fuhr. Zu ihrer Erleichterung erhielten sie eine Passage für den nächsten Tag und blieben die Nacht über in der dazugehörigen Posthalterei.
    Als sie am nächsten Morgen die Postkutsche nach Karlsruhe bestiegen und kurz darauf das erste Mal ihren neuen Pass vorzeigen mussten, verspürten sie noch eine gewisse Beklemmung. Diese legte sich jedoch mit jeder Meile, die hinter ihnen zurückblieb. In Karlsruhe wechselten sie erneut die Postlinie und fuhren mit ihr über die Brücke auf die andere Rheinseite, um nach Frankreich zu gelangen. Dabei galt es, die französische Zollstation zu passieren und sich den Fragen der dortigen Beamten zu stellen.
    Zwar war an den Grenzen zwischen den Deutschen Staaten alles gutgegangen, dennoch fühlte Walther diesmal einen Stein im Magen, als die Kutsche auf den Schlagbaum zurollte und sie aussteigen mussten. Der Postillion und sein Helfer reichten ihnen ihr Gepäck herab, dann sahen sie sich den französischen Gendarmen und Zöllnern gegenüber.
    Einer der Beamten fragte etwas in seiner Sprache, das Walther nicht verstand. Jetzt ärgerte er sich, dass er wegen seines Planes, nach Amerika auszuwandern, zwar die englische Sprache sehr gründlich gelernt hatte und auch Latein beherrschte, aber nur wenige französische Vokabeln kannte.
    »Pardon, ich verstehe Sie nicht«, antwortete er.
    Der Franzose sah ihn an, als hätte er einen Schwachsinnigen vor sich, und ging in ein seltsam abgeschliffen klingendes Deutsch über. »Ich fragte, wer Sie sind und was Sie zu verzollen haben.«
    »Mein Name ist Dr. Artschwager, und das ist meine Ehefrau«, erklärte Walther und zeigte auf Gisela. »Zu verzollen haben wir nichts, denn wir führen nur unser persönliches Gepäck mit uns.«
    »Wir werden Ihr Gepäck prüfen. Was ist der Zweck Ihrer Reise?«, fragte der Grenzer weiter.
    Walther hatte beschlossen, bei der Wahrheit zu bleiben. »Wir sind auf dem Weg nach Le Havre. Wir wollen dort ein Schiff besteigen, das nach Amerika fährt.«
    »Ein Auswanderer also. Aber solche Leute führen meist ziemlich viel Gepäck mit sich.«
    Dem Franzosen war ein gewisses Misstrauen angesichts des einzigen Koffers und der Reisetasche anzumerken. Rasch zog Walther den Brief des Posthalters Bendhacke heraus und reichte ihn dem Grenzbeamten.
    »Wie Sie hier sehen, hatten wir unterwegs einen Unfall. Dabei haben wir den größten Teil unseres Gepäcks verloren. Es versank in einem See.«
    Der Franzose las den Brief durch und reichte ihn dann zurück. »Sie können sich das, was Sie jenseits des Ozeans benötigen, auch in Le Havre besorgen. Ich frage mich ohnehin, weshalb ihr Deutschen euren halben Hausstand mit auf die Reise nehmt und die teuren Frachtkosten dafür bezahlt. Es wäre gewiss leichter für euch, ihr würdet eure Sachen zu Hause verkaufen und sie euch in den Hafenstädten neu besorgen. Aber das ist zum Glück nicht mein Problem. Öffnen Sie jetzt Ihre Tasche und den Koffer.«
    Gisela löste die Schnallen ihrer Reisetasche. Der Grenzbeamte wühlte kurz in ihren Kleidern und der Unterwäsche herum, so als hoffte er, darunter versteckt Waren zu finden, die verzollt werden mussten.
    Schließlich nickte der Franzose ihr zu. »Sie können Ihre Tasche wieder zumachen. Und nun zu dem Koffer.«
    Diesen hatte Walther bereits geöffnet. Jetzt trat er einen Schritt zurück, damit der Zöllner ihn kontrollieren konnte. Auch er hatte keine verbotene oder zu verzollende Ware bei sich. Allerdings wies der Beamte auf seine schwere Doppelbüchse.
    »Es gefällt mir nicht, dass Sie mit einer solch weittragenden Waffe durch unser Land reisen wollen.«
    Für Augenblicke befürchtete Walther, der andere würde die Büchse konfiszieren, doch dieser rief einen weiteren Grenzbeamten zu sich und unterhielt sich mit ihm auf Französisch. Nach kurzer Zeit schienen sie zu einem Ergebnis gekommen sein, denn der zweite Grenzbeamte verschwand mit Walthers Pass im Wachhaus und kehrte nach quälend langsam verstreichenden Minuten wieder zurück.
    »So, mein Herr! Aufgrund der Eintragungen in Ihrem Pass dürfen Sie die Strecke über Nancy, Reims und Rouen

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