Das goldene Ufer
an, ihm etwas von dem Wein, den sie in Le Havre gekauft hatten, für seinen Vater zu geben.
Bertrand setzte seine übliche höhnische Miene auf. »Der Wein wird gebraucht, wenn die Reise zu lange dauert und das Wasser schlecht wird. Jetzt kann ich dir keinen geben.«
»Mein Vater ist sehr, sehr krank. Er hat Durst und kann kaum mehr etwas essen. Er braucht den Wein, um bei Kräften zu bleiben«, flehte der junge Normanne.
»Hat er eine ansteckende Krankheit?«, fragte Bertrand erschrocken.
»Nein, es ist sein Arm. Der will einfach nicht heilen. Bitte, gib uns wenigstens einen Becher davon am Tag.«
Bertrand tat so, als müsse er überlegen. »Wie ich schon sagte, kann ich noch nicht an euren persönlichen Proviant gehen. Aber wenn du willst, könnte ich dir einen Becher Wein aus unseren Schiffsvorräten geben. Da kostet der Becher aber drei Francs.«
»Das ist Wucher!«, rief eine Frau empört.
»Pardon, aber was soll ich tun? Wein ist teuer, und unser Kapitän mag es nicht, wenn seine Vorräte an Passagiere verschwendet werden. Ich muss es also heimlich tun.« Bertrand hatte bei dem großen Tumult einige Schläge von Thierry einstecken müssen und freute sich sichtlich, es ihm auf diese Weise heimzahlen zu können.
Der junge Normanne atmete tief durch, überwand sich dann aber und zählte Bertrand drei Francs hin. »So, dafür will ich aber den Wein. Und denke ja nicht, du könntest den Becher einfach von oben herabwerfen, wie du es mit den Würsten machst. Wir sind Menschen und keine Hunde.«
»Ich reiche ihn dir runter«, versprach Bertrand und ging zum nächsten Passagier, um dessen Essgeschirr zu füllen.
Thierry warf ihm einen kurzen Blick nach und wandte sich dann an Gertrude, die für Walther übersetzte. »Diese drei Francs schmerzen mich mehr als alles Geld, das ich bisher in meinem Leben ausgegeben habe. Doch um meines Vaters willen bin ich bereit, selbst meinen Stolz in die Gosse zu schmeißen.«
Walther fand seine Haltung bewundernswert und wünschte sich, er könnte ihm oder seinem Vater helfen. Zwar hatte er in der Erwartung, in Amerika unter Umständen an den Grenzen der Zivilisation siedeln zu müssen, einige medizinische Fachbücher gelesen, doch mehr, als dass man einen gebrochenen Knochen schienen müsse, hatte er kaum gelernt. Trotzdem ging er nun zu dem Verletzten.
Da die Frauen die Schiene gelöst hatten, konnte er sehen, dass der Arm stark angeschwollen war und schwarzrot glänzte. Hier war größeres Können gefragt, als Walther es sich zuschrieb. Vor allem aber brauchte der alte Mann mehr als nur einen Becher Wein. Obwohl die Matrosen rüde reagierten, wenn einer der Zwischendeckspassagiere gegen die Luke klopfte, stieg Walther nach oben und schlug mehrfach dagegen.
»Wir haben einen Kranken!«, rief er auf Deutsch und forderte Martin Jäger auf, dies in Französisch zu wiederholen.
Als ein Matrose die Luke aufriss, hob Walther beschwichtigend die Hand und wies dann nach unten. » Malade, krank!«, sagte er.
Der Matrose wandte sich um und sprudelte einige Sätze heraus. Sofort kam Bertrand heran, in der Hand einen Lederbecher voll Wein. »Was soll der Aufruhr? Ich habe alles im Griff«, sagte er zu seinem Kameraden und stieg den Niedergang ins Zwischendeck hinab.
»Hier ist der Wein!« Damit drückte er dem jungen Normannen den Becher in die Hand und sah sich dessen Vater an.
Beim Anblick des angeschwollenen und grotesk verfärbten Armes verzog er das Gesicht. »Das sieht nicht gut aus!«
»Habt ihr nichts an Bord, was das Fieber senken könnte, Chinarinde zum Beispiel?« Walther nannte noch ein paar Mittel, die seiner Erinnerung nach helfen konnten. Bertrand verstand jedoch weder die deutschen Namen der Medikamente noch die lateinischen Bezeichnungen für die entsprechenden Heilpflanzen. Daher zuckte er mit den Achseln und kletterte wieder an Deck, ohne die Luke zu verschließen. Kurz darauf kehrte er mit dem Kapitän zurück.
Dieser betrachtete den verletzten Arm und schüttelte dann den Kopf. »Ich werde dem Mann einen Heiltrunk mischen, aber ob der noch hilft, bezweifle ich. Der Arm ist bereits brandig geworden. Da er an einer so schlechten Stelle gebrochen ist, müssten wir ihn direkt an der Schulter abnehmen. Dafür aber ist der Mann bereits zu stark geschwächt.«
»Wir können unseren Vater doch nicht verrecken lassen wie ein Stück Vieh!«, fuhr Thierry auf.
»Ich sagte, er kriegt einen Trank! Das ist alles, was ich für ihn tun kann.« Damit war für Buisson
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