Das goldene Ufer
in den nächsten Hafen steuern sollte.«
5.
D er Dieb bewegte noch ein, zwei Tage die Gemüter, dann erwähnte ihn niemand mehr. Doch der Unmut über den Kapitän, der sich neben dem Besitz des Gehenkten auch das gestohlene Gut unter den Nagel gerissen hatte, schwelte weiter. Die meiste Aufmerksamkeit aber zog die normannische Sippe auf sich, denn der Arm ihres Anführers wollte nicht heilen. Daran waren auch die heftigen Bewegungen des Schiffes schuld, die die Hängematten zum Schwingen brachten.
Weder unter den Seeleuten noch bei den Passagieren befand sich ein Arzt, der dem Verletzten hätte helfen können. Nach einigen Tagen interessierten sich nur noch seine Verwandten für ihn, denn die meisten Passagiere lagen apathisch in ihren Hängematten. Niemand beschwerte sich mehr über das Essen, das noch immer wie ungewürzter Kleister schmeckte, oder über das rohe Sauerkraut, das sie essen sollten. Die meisten mochten es nicht, und einige ließen es sogar stehen.
Da Walther sich im Gespräch mit Gisela daran erinnerte, bei seinen Erkundungen in Bremen gehört zu haben, dass neben bestimmten Früchten auch Sauerkraut gegen Skorbut helfen sollte, zwang er sich, seine Portion hinunterzuwürgen. Im Gegensatz zu ihm aß Gisela das Kraut mit wahrer Begeisterung, so dass einige ihr die eigene Portion zusteckten.
Walther versuchte den Mitreisenden mit Gertrudes Hilfe zu erklären, wie wichtig das Sauerkraut für ihre Gesundheit sei, aber es gab immer noch ein paar, die sich weigerten, es zu sich zu nehmen.
Von den Würsten und der Butter, die die meisten in Le Havre eingekauft hatten, sahen sie während der ersten drei Wochen der Fahrt nichts. Allerdings kauten Bertrand und die Matrosen, wenn sie das Essen brachten, oft auf beiden Backen und strömten dabei den Knoblauchduft der Würste aus. Daher forderte Walther mehrfach, etwas von seinen persönlichen Vorräten zu erhalten, doch Bertrand schüttelte nur grinsend den Kopf.
»Noch gibt es keinen Sturm, der uns zwingen würde, die Feuer in der Kombüse zu löschen. Wenn es einmal so weit ist, wirst du froh sein, die Sachen bis dorthin aufgespart zu haben. Aber wenn du unbedingt Wurst essen willst, könnte ich dir etwas von den Bordvorräten besorgen. Das kostet nur drei Francs pro Wurst.«
In dem Moment stellte Walther sich vor, wie er die Hände um Bertrands Hals legte und ganz langsam zudrückte. Ihm war klar, dass der Kerl ihm seine eigenen Sachen für gutes Geld andrehen wollte. Da Gisela ihn bei der Erwähnung von Würsten jedoch hoffnungsvoll ansah, holte er eine Münze heraus, die in etwa den Wert von drei Francs besaß, und reichte sie dem Matrosen.
»Kriegen wir jetzt die Wurst?«
»Freilich! Ich bringe sie bei der nächsten Essensausgabe mit«, antwortete Bertrand grinsend.
Damit ließ Walther sich jedoch nicht abspeisen. »Ich hätte sie gerne jetzt. Bis zur nächsten Essensausgabe ist es noch lang hin, und ich möchte nicht, dass du es bis dorthin vielleicht vergisst. Die Seeluft ist nämlich nicht gut fürs Gedächtnis, musst du wissen!«
Bertrand überlegte kurz, sagte sich dann aber, dass drei Francs es nicht wert waren, sich mit einem Passagier zu streiten, aus dem er wahrscheinlich noch etliche Münzen herauskitzeln konnte. »Also gut! Komm, wenn wir mit der Essensausgabe fertig sind, nach vorne zum Niedergang. Ich werfe dir die Wurst zu.«
Mehr konnte Walther nicht erreichen. Während er den Inhalt seines Napfes löffelte, ließ er Bertrand nicht aus den Augen. Dieser füllte den Zwischendeckspassagieren den Brei mit hämischen Bemerkungen in die Essgeschirre, für die er an Land längst verprügelt worden wäre. Da Kapitän Buisson jedoch allen deutlich vor Augen geführt hatte, wer auf der Loire das Sagen hatte, wollte sich keiner den Zorn eines Mannes zuziehen, der in diesem hölzernen Gefängnis wie ein Gott über Leben und Tod gebot.
Als Bertrand und die anderen Matrosen wieder nach oben stiegen, stellte Walther seinen Napf beiseite und ging nach vorne. Am Niedergang überlegte er kurz, ob er jetzt hochsteigen und gegen den Lukendeckel klopfen oder besser warten sollte, ob Bertrand sein Versprechen einhielt.
Noch während er darüber nachsann, wurde oben geöffnet. Kurz war eine Hand zu sehen, die einen Gegenstand nach unten warf. Walther griff zu, verfehlte die Wurst jedoch. Sofort stürzten drei, vier Passagiere darauf. Walther war schneller, musste aber die Wurst gegen die anderen verteidigen.
»Seid ihr närrisch geworden!«,
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