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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kein Spieler bist«, flüsterte Gisela Walther zu. »Die arme Frau! Es muss entsetzlich für sie sein.«
    »Mit dem Spielen ist es wie mit dem Trinken. Solange man Maß hält, kann man es tun. Doch zu viel ist nicht gut!« Walther wollte noch mehr sagen, doch da kam Martin Jäger mit verkniffener Miene auf ihn zu.
    »Da hast du ein wahres Wort gesprochen. Trotzdem darf ich froh sein, dass dem armen Kerl das Geld ausgegangen ist. So habe ich wenigstens einen Teil des meinen behalten. Ein zweites Mal setze ich mich nicht mehr zu den Kerlen. Dafür spielen sie mir zu gut.« Mit einer resignierenden Geste kehrte er an seinen Platz zurück und wurde von Gertrude mit Kopfschütteln und tadelnden Blicken empfangen.

9.
    K urz vor Sonnenuntergang durften die Passagiere wieder an Deck. Der Platz zwischen den beiden Masten war für die gut sechzig Auswanderer, denen Kapitän Buisson das Geld für die Passage abgenommen hatte, eigentlich zu klein, doch die Menschen, die den überwiegenden Teil des Tages in dem düsteren, stinkenden Zwischendeck verbringen mussten, waren für ein paar Augenblicke an der frischen Luft dankbar.
    Um zu verhindern, dass noch einmal gestohlen wurde, durfte niemand unten bleiben. Walther hatte mittlerweile seine Habseligkeiten so umgepackt, dass keiner so einfach an sein Geld oder andere wichtige Dinge kommen konnte. Sein Misstrauen galt dabei weniger den Mitreisenden als den Matrosen der Loire. Er hatte schon mehrfach gesehen, wie einige von ihnen nach unten gestiegen waren, während die Zwischendeckspassagiere sich oben aufhielten. Da er Hérault Buisson und Bertrand kennengelernt hatte, gab er nicht viel auf die Ehrlichkeit der übrigen Schiffsbesatzung.
    »Ist es nicht wunderschön?«
    Giselas begeisterter Aufruf beendete sein Sinnieren, und er blickte in die Richtung, in die ihr rechter Arm wies. Dort berührte die Sonnenscheibe eben den westlichen Horizont wie mit einem Kuss und färbte das Meer in ein schillerndes Rot. Es war ein herrlicher Anblick, der sie für etliche Unannehmlichkeiten der Fahrt entschädigte. Mit einem Mal stutzte Walther, und er kniff die Augen zusammen. Zeichnete sich nicht dort, wo die Sonne stand, der Horizont ein wenig höher ab? Einen Augenblick lang glaubte er eine Insel zu erkennen, deren Ufer im Schein der Abendsonne golden leuchtete. Es war für Walther wie ein Versprechen auf eine bessere Zukunft. Offensichtlich hatten sie die Küsten Amerikas erreicht und würden, wie er schätzte, in wenigen Tagen New Orleans anlaufen.
    Er wollte es schon Gisela mitteilen, dachte sich dann aber, wie enttäuscht sie sein würde, wenn er sich irrte, und begnügte sich damit, den Sonnenuntergang zu bewundern. »Du hast recht. Es ist wunderschön! Die See liegt ruhig, und der Wind bläst gerade so stark, dass er die Segel der Loire füllt. Es ist ein Bild, wie ich es noch nie gesehen habe.«
    »Ich auch nicht.« Gisela stupste ihn an. »Siehst du die beiden dort? So wie sie zusammenstehen, sollte man nicht meinen, dass sie sich vor ein paar Stunden noch geprügelt haben.«
    Walther löste den Blick nur widerwillig vom Horizont und folgte Giselas Fingerzeig. Es waren tatsächlich Thomé und Arlette. Der Ärger über den Spielverlust und die Schmerzen der Schläge schienen vergessen, denn sie standen Arm in Arm an der Reling und blickten aufs Meer hinaus.
    »Fragt sich nur, wie lange es dauern wird, bis sie sich das nächste Mal streiten«, sagte Walther achselzuckend und wandte sich wieder dem Sonnenuntergang zu. Viel zu bald für sein Gefühl erklang die Pfeife des Bootsmanns, und die Matrosen befahlen ihnen, wieder nach unten zu gehen.
    »Räumt das Deck!«, schnauzte einer Martin Jäger an. Dieser blickte sich nach seiner Nachbarin um, sah, dass diese bereits ins Zwischendeck hinabstieg, und folgte ihr.
    Da Walther und Gisela am weitesten vom Niedergang entfernt waren, gehörten sie zu den Letzten, die den Weg nach unten antraten. Der Matrose, der eben noch Jäger angetrieben hatte, starrte Gisela mit gierigen Augen an und fasste nach ihrem Hintern. Bevor er sie berühren konnte, schloss sich Walthers Hand wie ein Schraubstock um sein Handgelenk.
    »Das würde ich lieber nicht probieren, Freundchen!«
    Der Mann verstand die Drohung auch ohne Übersetzung aus dem Deutschen. Seine freie Hand wanderte nach hinten zu seinem Messer, doch Walthers Blick warnte ihn davor, es darauf ankommen zu lassen.
    »Was ist los? Warum steigt ihr nicht hinunter?«, fragte Bertrand

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