Das goldene Ufer
ich auch gerne beantwortet haben möchte. Als ich Bertrand letztens danach fragte, hat er nur wieder einen seiner dummen Sprüche losgelassen. Aber bis jetzt hatten wir halbwegs guten Wind und weder Sturm noch Flaute. Daher müssten wir die Karibischen Inseln bald erreicht haben. Vielleicht legt die Loire sogar unterwegs irgendwo an. Dann können wir uns überlegen, ob wir uns nicht ein Schiff suchen, das von dort nach New York fährt.«
»Das kostet viel zu viel Geld«, wandte Gisela ein.
»Das ist richtig, aber bevor wir uns in einer völlig unbekannten Gegend ansiedeln …«, begann Walther.
Gisela lachte hell auf. »Aber für uns ist doch alles unbekannt!«
»Das schon, trotzdem würde ich gerne andere Deutsche um uns herum wissen. Vor den Amerikanern selbst sollte man sich hüten. Das sind nämlich arge Schlitzohren, musst du wissen. Die bieten jenen Auswanderern, die ohne Geld ins Land kommen, an, für sie zu arbeiten, verrechnen dabei aber so viel für Unterkunft und Verpflegung, dass die armen Leute jahrelang wie Sklaven schuften müssen, bevor sie endlich auf eigenen Füßen stehen können.«
Bisher hatte Walther Gisela die schlimmsten Probleme verschwiegen, die auf Auswanderer in den Vereinigten Staaten warteten. Aber da er nun die Hoffnung hegte, ihnen beiden mit dem verbliebenen Geld eine halbwegs gute Zukunft bieten zu können, erzählte er ihr einiges von dem, was er über das Wissen aus dem Büchlein für Auswanderer hinaus in Bremen erfahren hatte.
Inzwischen war es den Spielern gelungen, einen weiteren Passagier zum Mitmachen zu bewegen. Jetzt kam der, der bei Walther gescheitert war, auf Martin Jäger zu und zeigte ihm die Karten.
»Lass das lieber!«, rief Walther dem Elsässer zu, als dieser sich erhob und mit dem anderen zur Laterne ging.
Doch Jäger winkte nur lachend ab. »Ich kenne das Spiel und weiß, was ich riskieren darf!«
Mit diesen Worten setzte er sich zu den Spielern. Die Karten wurden ausgeteilt, und die erste Partie gewann Martin Jäger mit Leichtigkeit. Auch das zweite Spiel ging zu seinen Gunsten aus: Da sein nächstes Blatt gut aussah, setzte er nun mehr Geld, um seinen Gewinn zu vergrößern. Doch da knallte einer der anderen seine Karten triumphierend auf die Decke, die ihnen den Spieltisch ersetzte.
»Dagegen kann keiner anstinken!«, übersetzte Walther seine Worte für sich.
Jäger starrte auf die Karten des Mannes und warf seine eigenen mit einem Laut des Unmuts auf die Decke. »Na ja, dreimal hintereinander zu gewinnen wäre ein bisschen viel gewesen«, meinte er und war nun mit Kartengeben dran.
Walther ließ die Spieler nicht aus den Augen. Zwar gewann immer wieder ein anderer, doch die höchsten Summen wanderten zu den beiden Spielinitiatoren hin. Martin Jäger musste stetig in seinen Beutel greifen, um neu setzen zu können, und dem vierten Mitspieler erging es nicht anders. Schließlich schüttelte dieser den Kopf.
»Ich muss passen. Mein Geld ist alle.« Mit einer müden Bewegung stand er auf und schlich zu seinem Platz zurück. Dort wartete seine Frau auf ihn und packte ihn bei den Schultern.
»Wie viel hast du verloren, Thomé?«, fragte sie, während sie ihn heftig schüttelte.
»Ja … ich … alles bis auf die sechzig Francs, die ich dir gegeben habe«, bekannte der Mann.
»Was? Bist du vollkommen närrisch geworden? Du Hundsfott verspielst unser ganzes Geld, mit dem wir uns in Nouveau Orleans eine neue Heimat schaffen wollten?« Die Frau kreischte durchdringend und schlug mit beiden Fäusten auf ihren Mann ein.
Thomé nahm die ersten Hiebe noch reglos hin, dann aber packte ihn die Wut. Er drehte seiner Frau die Arme auf den Rücken und legte sie übers Knie. Während er mit der linken Hand ihre Arme festhielt, klatschte seine Rechte schwer auf ihr Hinterteil.
Die Frau kreischte und zeterte und verfluchte ihren Mann, doch der ließ den ganzen Zorn über sein Versagen an ihr aus, bis Walther und zwei andere Männer dazwischentraten.
»Hör endlich auf, deine Frau zu schlagen!«, herrschte Walther den Kerl an.
Als Martin Jäger seine Worte übersetzte, zuckte der Mann mit den Achseln. »Ohne Arlette wäre ich besser dran, denn dann könnte ich als freier Mann in Nouveau Orleans beginnen.«
Arlette keifte zurück. »Und ich verfluche den Tag, an dem ich so dumm war, dich zu heiraten.«
»Das tue ich jeden Tag!«, knurrte Thomé, stieg in seine Hängematte und drehte sich so, dass er seiner Frau den Rücken zukehrte.
»Bin ich froh, dass du
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