Das goldene Ufer
jene Speise zu probieren.
Walthers Unruhe stieg. Aus diesem Grund war er froh, als er seinen Teller und seine Tasse abtragen lassen konnte. Nun stand Gamuzana auf und verneigte sich vor den Frauen.
»Ich bitte Sie, uns zu entschuldigen. Ich möchte etwas mit Señor Walther besprechen.«
Erstaunt blickte Gisela ihren Mann an, der aber auch nur fragend die Augenbrauen hochzog.
Walther folgte dem Alcalden in ein Zimmer, das mit lederüberzogenen Sesseln ausgestattet war. Dort bot Gamuzana ihm eine Zigarre an, die er annahm, obwohl er selten geraucht hatte.
Sein Gastgeber zündete sich ebenfalls eine Zigarre an und wandte sich an Walther. »Ich halte Sie für einen intelligenten Mann, Señor.«
»Danke, Herr Gamuzana, aber ich bin nicht mehr und nicht besser als andere.«
Der Alcalde lachte leise. »Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, Señor. Immerhin sind Sie als Fremder, der nicht einmal die Sprache der anderen spricht, zu deren Anführer aufgestiegen. Das vermag kein dummer Mann. Doch sprechen wir lieber über Ihre persönlichen Pläne. Sie haben Ihre Heimat verlassen, um sich in den sogenannten Vereinigten Staaten von Amerika anzusiedeln.«
»Das stimmt.«
»Könnten Sie sich nicht vorstellen, Ihre neue Heimat auch in einem anderen Land zu suchen, Señor, zum Beispiel in Mexiko, oder besser gesagt hier in Tejas? Es ist ein weites Land, aber dünn besiedelt. Vor einigen Jahren hat die Regierung unserer Republik dem Nordamerikaner Stephen Austin erlaubt, Siedler aus seiner Heimat hierherzubringen. Den Familien wurde freies Land versprochen und Hilfen für die Ansiedlung. Im Gegenzug hatten sie den Treueid auf die Republik Mexiko zu leisten und den katholischen Glauben anzunehmen.«
Gamuzana blies gedankenverloren einige Rauchringe in die Luft, bevor er weitersprach.
»Die Republik Mexiko wollte die zuwandernden Angloamerikaner auf eine gewisse Zahl beschränken, doch es kommen immer mehr ungerufen über die Grenze und lassen sich in der Nachbarschaft ihrer Landsleute nieder. Mittlerweile sind es bereits Tausende. Wenn es so weitergeht, werden wir Tejanos noch zu einer Minderheit im eigenen Land. Um das Übergewicht der Americanos zu brechen, hat unsere Regierung beschlossen, Siedler in Europa anzuwerben und nach Tejas zu holen, damit sie gute Mexicanos werden. Wäre dies nicht auch etwas für Sie, Señor? Für mich ist es ein Zeichen Gottes, dass er Ihr Schiff an unserer Küste stranden ließ und nicht bei jenem Volk im Norden, dessen Männer mit der Flinte in der Hand beten und dabei bereits überlegen, wie sie ihren Nächsten betrügen können.«
Walther sah den Alcalden überrascht an. Bisher hatte er geplant, sich in einer Gegend anzusiedeln, in der bereits andere Deutsche lebten. Dort aber könnte ihn die Nachricht über das, was in der Heimat geschehen war, verfolgen, und dies in der üblen Version, die Elfreda von Renitz mit Gewissheit verbreiten ließ. Falls das geschah, würden Gisela und er bei ihren Landsleuten als entflohene Raubmörder gelten und jede Achtung verlieren. Im Grunde sprach nur eines dagegen, hier in Tejas zu bleiben. Die Mexikaner wollten Katholiken hier haben, doch er war protestantisch.
Andererseits würde Gisela sich freuen, unter Menschen ihres Glaubens leben zu können, und so fanatisch war er nicht auf seine Konfession versessen, dass ihre Kinder unbedingt protestantisch werden mussten. Daher erschien es ihm wie ein Wink des Schicksals, hierher verschlagen worden zu sein.
»Nun, ich könnte es mir überlegen. Allerdings müsste ich vorher mit meiner Frau sprechen, denn so eine wichtige Entscheidung will ich nicht ohne ihre Einwilligung treffen«, setzte er vorsichtig an.
Um Hernando de Gamuzanas Mundwinkel zuckte es leicht. In seinen Augen war der Alemán wie alle seines Volkes ein bedächtiger Mann mit schwerem Blut in den Adern. Auch fehlte ihm das Durchsetzungsvermögen gegenüber seiner Frau, die ihrem Ehemann schließlich zu gehorchen hatte. Der Alcalde ließ sich seine Einschätzung jedoch nicht anmerken, sondern zählte Walther die Vorzüge auf, die eine Ansiedlung in Tejas mit sich brächte.
»Die Regierung der Republik Mexiko hat Landgebiete zusammengefasst und diese an Empressarios übergeben, die Siedler für diese Gebiete anwerben sollen. Zu diesen Beauftragten gehört mein Bruder Ramón. Die Regierung hat ihm Land am Rio Colorado zur Verfügung gestellt, das er an zweihundert Familien zu vergeben hat. Da es nicht einfach ist, Leute aus
Weitere Kostenlose Bücher