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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gamuzana«, sagte Walther erleichtert. »Wir haben Kinder und Frauen bei uns, die Schlimmes ertragen mussten. Von über achtzig Menschen an Bord sind nur dreiundzwanzig an diese Küste gelangt. Die anderen sind verschollen oder tot.«
    Gamuzana schlug das Kreuz. »Erlauben Sie mir, mein Mitgefühl auszudrücken!«
    »Ich danke Ihnen.« Zwar hatten Gisela und Walther niemand verloren, der ihnen besonders nahestand, dennoch betrauerten sie die Toten, die der Sturm und die kopflose Flucht des Kapitäns und der Besatzung gekostet hatten.
    Unterdessen hatten die Schiffbrüchigen begriffen, dass ihnen keine Gefahr drohte, und kamen zögernd näher. Angesichts der verzweifelten Gesichter jener, die um ihre Lieben trauerten, schwand auch das letzte Misstrauen des Alcalden, und er befahl seinen Männern, die Vorräte in ihren Satteltaschen mit den Schiffbrüchigen zu teilen. Außerdem ließ er in einer windgeschützten Senke ein Feuer entzünden, um das seine Männer und die Schiffbrüchigen schlafen sollten.
    Am nächsten Vormittag erschienen Gamuzanas Boten mit zwei Karren, vor die je zwei Ochsen gespannt waren. Sie hatten genügend Lebensmittel mitgebracht und auch mehrere Lederschläuche mit Wein, die sofort die Runde machten. Walther trank nicht ganz so gierig wie die anderen, aß aber heißhungrig den zähen Pfannkuchen, der mit Hackfleisch und Bohnen gefüllt war, obwohl diese Speise ein Gewürz enthielt, das ihm schier den Gaumen verbrannte.
    Nachdem er halbwegs satt war, wollte er Gamuzana seinen Pass zeigen. Doch als er diesen aus seiner Westentasche holte, hielt er nur ein Stück feuchtes Papier in der Hand, auf dem die Tinte noch mehr zerlaufen war als bei dem von ihm gefälschten Ausweis.
    »Gibt es hier in der Gegend einen preußischen Konsul, der mir einen neuen Pass verschaffen könnte?«, fragte er Gamuzana.
    Der Alcalde zuckte verwundert mit den Achseln. »Ich bedauere, aber die Frage kann ich nicht beantworten. Vielleicht gibt es in der Ciudad de Mexico einen Geschäftsträger Ihres Landes, doch ist es bis dorthin ein langer und sehr beschwerlicher Weg.«
    Für Walther war dies eine herbe Nachricht, denn er musste annehmen, dass er ohne Papiere nicht mit Gisela in einem Hafen der Vereinigten Staaten an Land gehen konnte. Doch wenn es sein musste, würden sie in die Hauptstadt der Republik Mexiko reisen. Vorerst aber war er froh, als er Gisela auf einen der Wagen helfen und hinter ihr aufsteigen konnte. Er reichte auch Gertrude, Thierrys Schwester Marguerite und einigen anderen Überlebenden die Hand und zog sie hinauf, während Lucien und Thomé beim zweiten Wagen dafür sorgten, dass alle aufsteigen konnten. Danach stachelten die Fuhrknechte ihre Ochsen an und schlugen den Weg nach San Felipe de Guzmán ein.

5.
    W alther schätzte die Bevölkerung der Stadt auf mehrere hundert Menschen. Die meisten Häuser waren klein und aus Ziegeln errichtet, deren Lehm man an der Sonne getrocknet hatte, anstatt ihn zu brennen. Am zentralen Platz stand die Kirche, ein wuchtiger Bau mit einem gut dreißig Fuß hohen Turm, und seitlich davon entdeckte Walther ein größeres Gebäude mit einem eisernen Balkon, vor dem ein Fahnenmast stand. An diesem wehte eine Fahne in den Farben Grün, Weiß und Rot.
    Hernando de Gamuzana hielt sein Pferd vor diesem Gebäude an, stieg ab und warf die Zügel einem herbeieilenden Knecht zu. Gleichzeitig liefen von allen Seiten Bewohner zusammen, die barfuß gingen und in alten, zerrissenen Kleidern steckten. Die Männer waren von der Sonne genauso tiefbraun gebrannt wie die ärmlich aussehenden Frauen. Nur die beiden Damen, die regelrecht heranschwebten und ihren Teint mit Schirmen gegen die Sonne schützten, hatten eine hellere Gesichtsfarbe.
    »Meine Gemahlin Elvira und meine Tochter Mercedes«, stellte Gamuzana die beiden vor.
    »Sehr angenehm!« Walther neigte den Kopf und sah sich dann den missbilligenden Blicken der Damen ausgesetzt. Die Mutter, die etwas kleiner und fülliger als die Tochter war, sagte etwas in einem scharfen Tonfall, doch ihr Mann hob beschwichtigend die Hände. Seine Antwort konnte Walther zwar nicht verstehen, nahm aber an, dass es um ihn ging. Gamuzana bestätigte dies auch auf Englisch.
    »Ich habe meinen Damen erklärt, dass Sie kein Americano aus dem Norden sind, sondern ein ehrlicher Deutscher!«
    Walther krauste die Stirn. Wie es aussah, waren die Bewohner der Vereinigten Staaten hier nicht gerade beliebt. Während er sich noch fragte, was das für ihn

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