Das goldene Ufer
Walburga, Giselas Eltern, die irgendwo aus dem Bayrischen stammten. Deren Heimatort hatte er trotz Nachfragen in München nicht in Erfahrung bringen können. Außerdem hörte er Reint Heurichs fröhliches Lachen und das vieler anderer, die er in den Tod geführt hatte. An seinen Sohn verschwendete er keinen Gedanken, und Walther sah er auch nur als Trommelbub vor den Soldaten hergehen.
3.
W alther hatte sich fest vorgenommen, vor seiner Abreise nach Göttingen noch einmal mit Gisela zu sprechen. Doch es kam immer wieder etwas dazwischen, und so war es fast wie damals, als Gisela zum ersten Mal ins Kloster gebracht worden war. Diesmal allerdings war er es, der scheiden musste. Als er in den Sattel stieg, hielt er sein Pferd vor ihr an.
»Diebold will sofort los, und ich darf ihn nicht warten lassen. Wir werden erst in den Weihnachtsferien zurückkommen. Fährst du wieder in jenes Kloster?«
Gisela nickte ganz in Gedanken. »Ich hoffe es. Seine Erlaucht hat es mir versprochen!«
»Schade, ich hätte gerne einmal mit dir zusammen Weihnachten gefeiert«, antwortete Walther mit einem so traurigen Lächeln, dass Gisela sich zum ersten Mal nicht auf Schwester Magdalena und das Kloster freuen konnte.
»Was ist jetzt? Wir wollen heuer noch nach Göttingen kommen!« Diebold ließ seine Reitpeitsche durch die Luft sausen, dass es nur so pfiff, und trabte los.
»Auf Wiedersehen!«, rief Walther Gisela zu. Sie konnten einander gerade noch zuwinken, dann folgte er dem Grafensohn.
Da der junge Graf der weitaus geübtere Reiter war, ließ er seinen Begleiter rasch hinter sich. Walther hielt das für unvernünftig, denn in Göttingen sollten sie gemeinsam ihr Quartier beziehen und bei der Universität vorsprechen. Wenigstens war es ihm diesmal erspart geblieben, Diebolds Gepäck auf sein Pferd laden zu müssen, da die Kisten mit ihren für das Studium notwendigen Besitztümern bereits mit einem Fuhrwerk nach Göttingen geschafft worden waren.
Gegen Mittag holte Walther Diebold ein, denn der junge Graf war in einer Herberge eingekehrt und hatte gut gespeist. Nun wartete er, bis Walther aufgetischt worden war, und blickte dann betont auf seine Uhr.
»Du solltest dich mit dem Essen beeilen. Ich will gleich weiter!«
Da Walther sich nicht bereits am ersten Tag mit Diebold streiten wollte, aß er hastig ein paar Bissen und stand auf, als sein Reisegefährte den Wirt anwies, die Pferde bereitstellen zu lassen.
Diebold hatte mehrere Becher Wein getrunken und war bester Stimmung. Deshalb verzichtete er auf weitere Quälereien. Sie kamen gut voran, übernachteten in einer akzeptablen Herberge und erreichten Göttingen am Abend des nächsten Tages. Diebold kannte die Stadt bereits von früheren Besuchen, auf denen er seinen Vater und in letzter Zeit auch seine Mutter begleitet hatte, und führte sie direkt zu dem Gasthof, in dem Pastor Künnen auf sie warten sollte.
Als sie in den Hof der Herberge einritten, eilte ihnen sofort ein Knecht entgegen. »Die Herren wollen doch gewiss hier übernachten?«
Walther zögerte, da er nicht wusste, ob sie heute noch ihre Studentenbude beziehen würden, Diebold aber schwang sich lachend aus dem Sattel und warf dem Knecht die Zügel zu. »Striegeln, füttern und nicht mit Hafer sparen«, rief er und wandte sich dem behäbig wirkenden Gasthof zu. »Hier könnte es mir für meine Studienzeit gefallen, aber das erlaubt mein alter Herr nicht«, sagte er in einem leichten Anfall von Missmut.
Walther wusste genau, weshalb Renitz seinen Sohn nicht in einer solchen Umgebung wohnen lassen wollte. Diebold wäre dann mehr in der Wirtsstube anzutreffen als in der Studierstube. Doch zum Trinken und Faulenzen hatte der Graf sie nicht hierhergeschickt.
»Gehen wir hinein«, schlug Walther vor und stieg nun ebenfalls vom Pferd. Nach dem zweitägigen Ritt fühlten sich seine Beine steif an, und er beneidete Diebold, der behende durch die Tür schritt und lautstark einen Krug Wein forderte.
»Und was zu essen will ich auch!«, setzte der junge Renitz hinzu. Dann erst entdeckte er den Pastor, der ihm von seinem Ecktisch aus missbilligend entgegensah.
Ohne sich um Künnens grimmige Miene zu scheren, nahm er neben ihm Platz und klopfte ihm auf die Schulter. »Da wären wir, Pastorchen, wie bestellt!«
»Der junge Herr sollte sich auch wie ein solcher benehmen«, wies Künnen ihn leise zurecht.
Diebold winkte lachend ab. »Es gibt genug Sauertöpfe auf der Welt, da muss ich nicht auch noch einer werden.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher