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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mit einem scharfen Ruck und sprang aus dem Sattel. Sofort eilte ein Stallknecht herbei, um das Pferd zu übernehmen.
    Diebold beachtete den Mann nicht, sondern schritt die Reihe der zu seinen Ehren angetretenen Mägde und Lakaien ab. Mit einer der Frauen, die Osma gerufen wurde, hatte er in den letzten Jahren etliche angenehme Stunden verbracht und freute sich darauf, diese zu wiederholen. Da fiel sein Blick auf Gisela. Bis zu seiner Abreise zum Manöver hatte er das Mädchen immer noch als dürres, kindliches Ding angesehen, doch nun begriff er mit einem Mal, dass ein außerordentlich hübsches Frauenzimmer mit noch schlanken Formen vor ihm stand. Ihr schwarzes Haar glänzte wie die Flügel eines Raben und verlieh ihr einen exotischen Reiz. Rasch rechnete er nach, wie alt Gisela sein mochte, und kam auf fünfzehn Jahre. Im kommenden Winter würde sie sechzehn werden, und das war genau das Alter, in dem Mädchen interessant wurden. Er nahm ihr lächelnd den ersten Becher ab, trank diesen in einem Zug leer und griff nach dem zweiten.
    »Auf dein Wohl, Mädchen«, sagte er und ließ den Wein, den Gisela eigentlich für Walther gedacht hatte, durch seine Kehle rinnen.
    Gisela ließ sich ihren Ärger nicht anmerken, sondern trat, als er ihr auf Tuchfühlung nahe kam, einen Schritt zurück und knickste. »Willkommen zu Hause, Euer Hochwohlgeboren.«
    Grinsend sah Diebold auf sie hinab und sagte sich, dass die Kleine noch sehr scheu war. Doch das reizte ihn nur noch mehr, sie zu seiner Gespielin zu machen.
    Die Stimme seiner Mutter riss ihn aus seinen angenehmen Überlegungen. »Ich freue mich, dich gesund wiederzusehen, mein Sohn!«
    Gräfin Elfreda betrachtete seine Uniform mit einem stolzen Lächeln. »Ich sehe, man hat dir den Rang eines Leutnants verliehen, der dir schon längst zustand.«
    »Das hat man gleich vom ersten Tag an, werte Frau Mama, und das war auch angemessen für einen Veteranen von Waterloo.« Diebold eilte nun die Freitreppe hinauf und verbeugte sich vor seiner Mutter.
    Sein Blick glitt zur Tür. »Ich vermisse Seine Erlaucht.«
    Gräfin Elfreda stieß ein leises Schnauben aus. »Deinem Vater geht es nicht gut, und er kann wieder einmal seine Gemächer nicht verlassen. Das Alter und die Last vieler Feldzüge machen ihm zu schaffen. Wenn du dich gestärkt hast, wirst du dich zu ihm begeben und ihn begrüßen.«
    »Das ist doch selbstverständlich, werte Frau Mama!«
    Seinen Worten zum Trotz machte Diebold nicht den Eindruck, als bedauere er das Fehlen seines Vaters. Er folgte seiner Mutter in den privaten Speisesaal der Familie und ließ sich die aufgetischten Leckerbissen schmecken.

2.
    W alther erreichte kurz nach Diebold das Schloss. Da sein Pferd zusätzlich noch zwei große Packtaschen trug, die Diebolds Gepäck enthielten, hatte er zuletzt nicht mehr mit diesem mithalten können. Walther trug Zivilkleidung, obwohl sich diese nicht zum Reiten eignete. Doch ein schlichter preußischer Grenadier zu Pferd hätte unterwegs Aufsehen erregt. Obwohl er ebenfalls Veteran von Waterloo war, hatte er keine Beförderung erhalten. Dies hatte der junge Renitz zu verhindern gewusst, ihn dann zu seinem Burschen gemacht und sich während der gesamten Übung von ihm bedienen lassen.
    Eine gewisse Bitterkeit war Walther anzumerken, als er vom Pferd stieg und den Knechten befahl, das Gepäck des jungen Herrn in dessen Gemächer zu bringen. Längst hatte sich das Spalier der Dienstboten aufgelöst, und so stand nur noch Gisela auf dem Vorplatz, um ihn zu begrüßen.
    Sie hatte die Zeit genützt, um einen frischen Becher Wein zu holen, und kredenzte Walther den Begrüßungstrunk. »Willkommen zu Hause! War es schön?«
    Walther zuckte mit den Achseln. »Graf Diebold hat die Zeit beim Militär auf jeden Fall genossen.«
    »Du nicht?«
    »Ich habe hauptsächlich gelernt, Stiefel so zu putzen, dass man sich darin spiegeln kann, und Uniformen auszubürsten.«
    »Das hört sich nicht sehr aufregend an«, antwortete Gisela kopfschüttelnd. »Doch es war zu erwarten, dass der junge Herr alles tut, um dich zu demütigen. Er kann es nicht ertragen, dass der Pastor dich ihm in vielen Fällen als Vorbild hinstellt.«
    »Das macht Künnen nur, um Graf Diebolds Ehrgeiz anzustacheln, aber mir tut der Pastor damit keinen Gefallen. Natürlich muss ich dankbar sein, dass Graf Renitz sich meiner angenommen hat und mir nun sogar die Gelegenheit gibt zu studieren.«
    An diesen Gedanken hatte Walther sich stets geklammert, wenn Graf

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