Das goldene Ufer
in Richtung Küche verschwand.
Dort hatte Cäcilie den Korb für den Förster bereits gepackt. Die Köchin lächelte Gisela so freundlich entgegen, dass dem Mädchen der Verdacht kam, diese sei mit der Mamsell im Bunde und wollte sie ebenfalls mit Stoppel verkuppeln. Zwar mochte sie die beiden Frauen, hier aber schienen ihr Cäcilie und Frau Frähmke über das Ziel hinauszuschießen. Diebold von Renitz war mittlerweile fast zwei Jahre lang nicht mehr auf den elterlichen Besitzungen gewesen, und es sah auch nicht so aus, als würde er in absehbarer Zeit hier auftauchen. Wegen einer Gefahr, die vielleicht noch Jahre auf sich warten ließ, überstürzt zu heiraten, würde sich gewiss als Fehler erweisen. Auch wenn sie dem Förster freundschaftliche Gefühle und Mitleid entgegenbrachte, so blieb ihr Herz doch stumm, wenn sie an ihn dachte.
Pah! Wenn ich einen von hier heirate, müsste ich protestantisch werden, und das will ich nicht, sagte sie sich und zeigte auf den vollen Korb. »Sind das die Vorräte für das Forsthaus?«
»Ja. Ich habe auch einen Teil unseres Mittagessens abgezweigt. Du brauchst es im Forsthaus nur aufzuwärmen und kannst gleich dort mit Herrn Stoppel zusammen essen.«
Gisela schenkte der Köchin ein nachsichtiges Lächeln. »Du willst dir einen Kuppelpelz von mir verdienen und bist mit Frau Frähmke im Bunde.«
»Ich weiß nicht, was du hast! Der Förster ist eine gute Partie. Wir wollen doch nicht, dass du einmal so endest wie Osma.« Cäcilie schniefte und wischte sich ein paar Tränen aus den Augen.
»So wie Osma werde ich nicht enden!«, erklärte Gisela mit mühsam beherrschter Stimme. »An ihrer Stelle hätte ich das Kind geboren und aufgezogen, und wenn ich als Tagelöhnerin hätte arbeiten müssen. So aber hat sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Kind umgebracht.«
»Urteilst du nicht zu hart? Osma war gewiss nicht schuld an ihrem Schicksal. Wäre sie dem jungen Herrn nicht freiwillig ins Bett gefolgt, hätte er sie mit Gewalt hineingezerrt. Das Gleiche wird er auch mit dir tun, wenn du nicht unter dem Schutz eines Gatten stehst.«
Cäcilie wurde ebenfalls etwas laut, denn sie wusste nicht, wie sie dem starrsinnigen Mädchen noch ins Gewissen reden konnte. Wenn Gisela weiterhin in den Tag hinein lebte, würde es ein böses Erwachen für sie geben.
Dabei war Gisela sehr wohl bewusst, dass sie sich vor dem jungen Grafen hüten musste. Aber sie war nicht bereit, aus diesem Grund einfach den nächstbesten Mann zu ehelichen – zumal sie immer noch jeden Tag an Walther dachte. Auch wenn sie Angst davor hatte, er könnte sie in der weiten Welt vergessen haben, hoffte sie auf seine Rückkehr. Dabei würde sich ihr Glaube auch in dieser Beziehung als Hemmschuh erweisen, also war es besser, auf nichts zu hoffen und Graf Diebold, falls er wieder auftauchen sollte, aus dem Weg zu gehen.
Gisela vermied es, noch einmal der Mamsell unter die Augen zu kommen, denn für heute hatte sie sich wahrlich schon genug Predigten anhören müssen. Mit diesem Gedanken schritt sie in Richtung Wald und tauchte nach kurzer Zeit in den Halbschatten der hohen Bäume ein. Der Weg zum Forsthaus war in einer knappen Stunde zu bewältigen, wenn man so stramm marschierte wie sie. Da blieb ihr genug Zeit, eigenen Gedanken nachzuhängen, und sie grübelte darüber nach, wie sich ihre Zukunft wohl gestalten mochte.
Sie war noch ganz in diesen Überlegungen gefangen, als sie das Forsthaus erreichte. Es sah schäbiger aus als in den Zeiten, in denen Stoppel noch im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen war. Eigentlich hätte er einen Helfer gebraucht, doch Gräfin Elfreda verstand zu wenig von Forstwirtschaft, um den Wert der uralten Tannen und Buchen ermessen zu können. So blieb der Wald bis auf ein paar Bäume an seinen Rändern, die die Knechte aus dem Dorf gelegentlich fällten, weitestgehend unversehrt.
Nur mühsam gelang es Gisela, all das, was ihr durch den Kopf ging, beiseitezuschieben und sich wieder an ihre Aufgabe zu erinnern. Sie glaubte, Stoppel im Forsthaus hantieren zu hören, und klopfte an die Tür. Doch es kam keine Antwort. Stattdessen vernahm sie einen Schrei.
War der Förster zu krank, um ihr öffnen zu können?
Besorgt streckte sie die Hand aus und drückte die Klinke hinunter. Zu ihrer Erleichterung war die Tür nicht versperrt. In dem Zimmer, das als Küche und Wohnraum diente, war niemand. Unwillkürlich sah sie in die Ecke hinüber, in der sie bereits auf einem Strohsack geschlafen
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