Das goldene Ufer
Gäste erscheinst.«
Walther versuchte zu grinsen. »Keine Sorge! Ich werde früh genug hier sein!« Damit verließ er die Kammer und machte einen Abstecher in die Küche, in der Cäcilie ihn mit so vielen Lebensmitteln versorgte, dass er und Stoppel eine ganze Woche davon leben konnten.
5.
E lfreda von Renitz wollte ihre Gäste und auch die Nachbarschaft mit ihrem Fest beeindrucken und hatte daher weder Kosten noch Mühen gescheut. Statt ein paar Jäger mit Jagdhörnern auftreten zu lassen, begrüßte die Regimentskapelle der nahe gelegenen Garnison die Ankommenden mit flotter Marschmusik. Livrierte Diener öffneten die Kutschenschläge und halfen den Damen ins Freie. Danach war es an Gisela und Walther, die Herrschaften zu begrüßen. Gisela bot den Damen Gläser eines ausgezeichneten Weines an, während Walther den männlichen Gästen den scharfen Kräuterschnaps kredenzte, der auf dem gräflichen Gut gebrannt wurde.
Da das schmucke Paar die Blicke auf sich zog, gratulierte die Gräfin sich, auf den Vorschlag ihrer Mamsell eingegangen zu sein. Obwohl sie die junge Katholikin nicht mochte, musste sie zugeben, dass Gisela nicht nur außerordentlich hübsch war, sondern auch die Gäste mit ihrer Freundlichkeit in gute Laune versetzte. Dann blieben Elfreda von Renitz’ Blicke auf Walther haften, der in seiner Jägeruniform prachtvoll aussah. Als Soldatenfrau hatte die Gräfin nur selten eheliche Zweisamkeit mit ihrem Gemahl genießen können, und seit seiner schweren Erkrankung musste sie auf jeden Verkehr mit ihm verzichten. Ihr war klar, dass er darüber hinwegsehen würde, wenn sie sich einen Geliebten nahm, bislang aber war sie zu stolz auf sich und ihre eheliche Treue gewesen. Nun fühlte sie, wie ihr Blut rascher durch die Adern floss – und das ausgerechnet bei Walther Fichtner. Dabei verachtete sie den Kerl nicht weniger als die katholische Magd.
Sie fragte sich das erste Mal ernsthaft, warum Fichtner ihr ein Dorn im Auge war. Lehnte sie ihn ab, weil dieser schon als Junge jene Charakterzüge besessen hatte, die sie bei ihrem Sohn vermisste? Wenn sie ehrlich zu sich war, ärgerte sie sich schon lange über Diebolds rücksichtslose Art, die auch vor ihr nicht haltmachte. Immer wieder zwang er sie, ihn gegen ihren Gemahl zu verteidigen. Dabei hatte sein Vater vollkommen recht. Ein Jahr, vielleicht auch anderthalb hätten für Diebolds Kavalierstour ausgereicht. So aber musste sie sich bei jedem ihrer Gäste für sein Fernbleiben entschuldigen. Außerdem erklärten die Mütter jener jungen Damen, die für sie als Schwiegertochter in Frage kamen, unumwunden, dass sie Diebold vor einer endgültigen Entscheidung genauer in Augenschein nehmen wollten.
Während die Gräfin ihren Gedanken nachhing und dabei trotzdem den Part der Gastgeberin mit großer Geste spielte, begrüßte ihr Gemahl die Gäste in dem Salon, der neben dem Ballsaal und zwei weiteren Räumen für die Festlichkeit geöffnet worden war. Und schon bald hingen Medard von Renitz und einige andere pensionierte Militärs jenen Zeiten nach, in denen sie noch jung und kraftvoll gewesen waren und ihre Regimenter in die Schlacht geführt hatten.
Nachdem alle Gäste eingetroffen waren, glaubten Gisela und Walther sich ihrer Verpflichtung ledig und wollten sich umziehen. Doch Luise Frähmke rief sie zu sich. »Ihre Erlaucht wünscht, dass ihr beide im Saal die Lakaien beaufsichtigt und eingreift, wenn jemand von den Gästen etwas braucht.«
Walther sah die Frau verwundert an. »Verzeihung, aber ich weiß nicht, wie es bei einer hochherrschaftlichen Festlichkeit zugeht.«
»Ich auch nicht«, beteuerte Gisela.
»Ihre Erlaucht wünscht es, und ihr Wunsch ist Befehl. Ich traue euch zu, diese Aufgaben zu ihrer Zufriedenheit zu erledigen. Ihr werdet nicht mehr tun müssen, als einen Diener zu rufen, um das Gewünschte zu bringen, oder einen Stuhl zurechtzurücken. Außerdem verlangt Ihre Erlaucht, dass ihr beide den Tanz eröffnet. Ihr könnt doch tanzen, oder?« Es klang ein bisschen kleinlaut.
Walther sah aus, als hätte sie eben von ihm verlangt, um Mitternacht den Teufel zu beschwören. »Also, ich weiß nicht …«
»Du kannst das schon«, versuchte die Mamsell ihn zu beruhigen. »Gisela, geh du schon mal vor. Ich schicke Walther gleich nach. Vorher werde ich ihm ein paar Tanzschritte beibringen, damit ihr euch nicht blamiert.«
»Sollte nicht ich das machen, da wir ja zusammen tanzen sollen?«, fragte die junge Frau.
Die Mamsell schüttelte den
Weitere Kostenlose Bücher