Das goldene Ufer
Mägde anpassen lassen.«
»Auf Ideen kommen diese Leute!« Walther nickte seufzend. »Na gut! Dann gehe ich eben morgen früh ins Schloss. Ich muss sowieso die letzten Zweige noch hinbringen. Wenn Ihre Erlaucht mir jedoch befehlen sollte, das Jagdhorn zu blasen, wird sie eine Überraschung erleben. Dieses Instrument habe ich nie gelernt. Ich könnte höchstens das Angriffssignal der Renitzschen Musketiere trommeln. Aber das wird sie wohl kaum hören wollen.«
Stoppel schmunzelte, legte die letzten Zweige beiseite und gähnte. »Ich bin mit einem Mal schrecklich müde. Daher lege ich mich besser hin, bevor ich hier auf dem Stuhl einschlafe und du mich hineintragen musst.«
»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Herr Stoppel. Zumindest morgen werde ich Sie beneiden. Sie braucht dieses elende Fest auf Schloss Renitz nicht zu kümmern, denn Sie können hier vor dem Forsthaus sitzen bleiben und dem Wind lauschen, der Ihnen von fernen Ländern berichtet.«
»An dir ist ja direkt ein Dichter verlorengegangen«, spottete Stoppel und ging ins Haus.
Walther sah ihm nachdenklich nach. Was für ein Jammer, dass dieser Mann in der Blüte seiner Jahre zu einem Nichts zusammengefallen war. Statt ein erfülltes Leben vor sich zu sehen, sehnte Stoppel den Tod als Erlöser herbei.
4.
A m nächsten Morgen lud Walther die letzten grünen Zweige auf einen Handkarren und brachte sie zum Schloss. Dort wurde trotz der frühen Stunde bereits kräftig gearbeitet. Luise Frähmke warf einen kurzen Blick auf seine Fracht und wies ein paar Mägde an, sich der Zweige anzunehmen. Dann musterte sie Walther mit prüfendem Blick.
»Ich habe es mir ja schon gedacht. Deine Haare müssen geschnitten werden. So wird die Perücke nicht richtig passen.«
»Welche Perücke?«, fragte Walther verdattert.
»Die du als gräflicher Leibjäger tragen wirst. Ich habe Gisela schon angewiesen, dir den Pelz zu scheren. Sie kann auch gleich die Uniform abändern, damit sie dir passt. Übrigens sollen die Kleidungsstücke noch von deinem Urgroßvater stammen. Also behandle sie gut! Immerhin sind sie so etwas wie ein Familienerbstück.«
Noch während die Mamsell sprach, glitt ihr Blick über die arbeitenden Diener und Mägde. Sofort entdeckte sie etwas, das ihren Zorn erregte, und eilte von dannen, um die Nachlässigen zu tadeln.
Walther sah sich vergeblich nach Gisela um. Erst in der Küche konnte Cäcilie ihm Auskunft geben. »Sie hat gesagt, sie müsse ins Nähzimmer, um ihre Festkleidung abzuändern.«
»Wenn Gisela damit beschäftigt ist, wird sie sich wohl kaum um meine Uniform kümmern können«, stöhnte Walther, kam bei der resoluten Köchin aber an die Falsche.
»Gisela ist ein flinkes Mädchen und schafft was weg. Also geh hin! Klopfe aber an, bevor du ins Nähzimmer trittst. Nicht, dass sie gerade im Hemd dasteht, weil sie ihre Tracht anprobieren will.«
Zuerst lachte Walther über diese Vorstellung, doch als er die Küche verließ, sagte er sich, dass er Gisela gerne einmal im Hemd sehen würde, vielleicht sogar auch mit noch etwas weniger am Leib. Sie war ein hübsches Mädchen, und in so manchen Nächten träumte er von ihr. Doch nie war ihm dabei Glück beschieden, denn jedes Mal tauchte Diebold auf und sorgte dafür, dass sich seine und Giselas Wege trennten.
In angespannter Stimmung erreichte er die Tür der Kammer, in der nähkundige Mägde all die Kleider, Decken und Vorhänge in Ordnung brachten, für die kein Schneider gebraucht wurde, und klopfte an.
»Wer da?«, hörte er Gisela fragen.
»Ich«, antwortete er und setzte rasch »Walther!« hinzu, bevor sie ihn fragen konnte, wer hier auf den Namen Ich getauft wäre.
»Du kommst wohl wegen deiner Uniform. Warte einen Augenblick, dann kannst du eintreten.«
»Sag, wenn es so weit ist!« Ein anderer hätte vielleicht trotzdem die Tür geöffnet und hineingeschaut. Zwar hatte sich in den letzten Jahren zwischen Gisela und ihm eine gewisse Distanz eingeschlichen, doch er wollte ihr Vertrauen nicht enttäuschen.
Daher wartete er, bis Gisela »Herein!« rief, und betrat dann erst den Raum. Die junge Frau stand, in ein schlichtes Kleid gehüllt, mitten im Zimmer und legte gerade einen Rock aus rotem Samt beiseite, zu dem ein helles Mieder, ein mit Rosen besticktes Schultertuch, ein ebenfalls bestickter Seidengürtel und eine weiße Haube gehörten.
»Das sollst du anziehen?«, fragte Walther verwundert angesichts der prachtvollen Tracht.
Gisela kniff kurz die Augen zusammen. »Ja!
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