Das goldene Ufer
leichter als für den jungen Mann, der in den letzten Jahren kaum aus seinem Wald herausgekommen war. Daher sah sie immer wieder zu ihm hinüber, stellte aber fest, dass er seine Sache ausgezeichnet machte.
Nicht nur Gräfin Elfreda und Gisela fanden, dass Walther blendend aussah. Auch einige weibliche Gäste warfen ihm wohlgefällige Blicke zu, und nicht nur Gudula von Techan, deren Ehemann um viele Jahre älter war, schmiedete bereits Pläne, wie sie sich ein paar schöne Stunden mit dem jungen Mann machen konnte.
Ohne etwas von dem Aufsehen zu ahnen, das er bei der Damenwelt erregte, wies Walther einem Lakaien an, der Gräfin Rossipaul ein frisches Glas zu reichen, und verbeugte sich vor Gudula von Techans Tochter, die sich sichtlich mit einem Stück Fasan abmühte.
»Gnädiges Fräulein erlauben!« Mit diesen Worten nahm er ihr das Besteck ab und teilte geschickt das Fleisch vom Knochen.
»Danke!« Die Kleine, die knapp fünfzehn sein musste, errötete und senkte auf ein mahnendes Räuspern der Mutter hin den Kopf. Diese aber beobachtete Walther mit dem Blick einer Jägerin und beschloss, dieses Wild noch in derselben Nacht zu erlegen.
Als das Mahl zu Ende war, führte Gräfin Elfreda die Damen in ihren Salon, in dem ihnen unter Giselas Aufsicht Wein und Liköre gereicht wurden. Die Herren trafen sich in den Gemächern des Grafen, um dort bei einer Pfeife oder Zigarre etwas stärkere Getränke zu sich zu nehmen. An dieser Stelle half Walther aus, der sich in seiner altmodischen Uniform immer mehr wie eine Witzfigur vorkam. Er hatte wenig Verständnis dafür, Menschen so vorzuführen, wie die Gräfin es bei Gisela und ihm getan hatte. Seine Abneigung ging jedoch nicht so weit, die nötige Höflichkeit außer Acht zu lassen. Also reichte er den Herren Feuer, wenn sie es wünschten, und sorgte dafür, dass ihnen stets volle Gläser angeboten wurden.
Gelegentlich beobachtete Graf Renitz ihn und fragte sich, ob dieser junge Mann nicht besser auf einem bedeutenderen Posten als auf dem eines Försters aufgehoben wäre. Immerhin hatte er Walther studieren lassen, damit dieser sich einmal als Stütze seines Sohnes erweisen konnte. Als er dies letztens seiner Gemahlin gegenüber erwähnt hatte, war diese der Meinung gewesen, dass Walther als Sohn eines Försters der beste Mann für diesen verantwortungsvollen Posten wäre. Da Elfreda das Gut ausgezeichnet verwaltete, wollte er sie hier nicht kritisieren und schob diesen Gedanken beiseite.
Ein schmissiger Marsch der Militärkapelle erinnerte die Damen und Herren daran, dass das Programm weiterging. Walther dachte mit Schrecken daran, dass er gleich mit Gisela tanzen musste. Verzweifelt versuchte er sich an die Schritte zu erinnern, die Luise Frähmke ihm beigebracht hatte, doch sein Kopf fühlte sich so leer an wie ein löchriger Eimer. Tief durchatmend wies er einen Lakaien an, die Tür in den großen Saal zu öffnen, und sah, dass die Kapelle bereits auf der Empore Platz genommen hatte.
Beim Eintritt des Grafen und der Gräfin, die von zwei verschiedenen Seiten kamen, erhoben sich die Musiker und stimmten einen Militärmarsch an, um daran zu erinnern, dass Medard von Renitz im Range eines Generalmajors der preußischen Armee in den Ruhestand entlassen worden war.
Für die Gäste, die zunächst nur zusehen sollten, standen in einem Teil des Saales Stühle bereit. Die strenge Tischordnung des Mahles war hier nicht mehr gefordert, und so brachte es eine der hoffnungsvollen Mütter zustande, samt ihrer Tochter bei der Gastgeberin zu sitzen. Doch es gelang ihr nicht, Elfreda von Renitz anzusprechen, denn auf deren Zeichen hin stimmte die Kapelle einen volkstümlichen Tanz an.
»Ich glaube, das gilt uns«, raunte Gisela Walther zu. Da die Musik zu laut war, konnte er ihre Worte nicht verstehen, aber er begriff, was sie meinte, und blickte zu der Gräfin hinüber. Diese nickte hoheitsvoll und wies auf das Parkett.
»Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dir auf die Füße trete«, stöhnte Walther und reichte Gisela den Arm.
Sie lächelte sanft und deutete einen Knicks an. Gerade noch rechtzeitig erinnerte Walther sich daran, dass er sich vor der Gräfin zu verbeugen hatte, holte es nach und führte Gisela in die Mitte des Saals. Er empfand es als unangenehm, mehr als dreißig Augenpaare auf sich gerichtet zu sehen. Aber als die Kapelle die Melodie anstimmte, die ihrem Auftritt galt, machte er die ersten Tanzschritte und merkte rasch, dass er immer sicherer wurde. Dies
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