Das Gottesgrab
breit. Er schaute zu Vasileios.
«Was ist?», fragte Vasileios.
«Keine Ahnung.»
Er schaute sich nach dem Sattelschlepper direkt hinter ihnen um. Beladen mit seiner kostbaren Fracht schaffte er gerade 70 Kilometer in der Stunde. Bei der Geschwindigkeit würden sie bis Alexandria mindestens zehn Stunden brauchen. Zehn Stunden! Mein Gott. Was konnte in der Zeit alles passieren, besonders da Knox auf freiem Fuß war? Und er hatte gedacht, alles würde glattgehen! Er nahm sein Handy, um Ibrahim und seine Männer erneut anzurufen, aber es hatte keinen Empfang mehr. Wie die Hinfahrt gezeigt hatte, würde es erst in der Nähe von Marsa Matruh an der Küste wieder ein Signal bekommen.
Er hatte keine andere Wahl als weiterzufahren.
IV
Luftblasen und aufsteigende Gase kräuselten die Oberfläche des Sees. In zwei Strudeln trieben Öllachen, Algen und Schotter auf dem Wasser. Knox schwamm von einem zum anderen und tauchte unter. Der Tieflader hatte es weiter in den See geschafft als der Bagger. Das normalerweise klare Wasser war trübe geworden. Knox konnte sich nur vortasten. Seine Lungen waren fast am Ende, als er etwas Metallisches berührte. Er tauchte auf, um Luft zu schnappen, dann wieder hinunter und zwängte sich durch das geöffnete Fenster in die Kabine des Tiefladers. Er tastete sich voran. Als Erstes fand er Rick. Die Trauer versetzte ihm wieder einen Stich. Er verdrängte sie und suchte weiter. Die zweite Leiche hatte langes Haar. Elena. Er schob sie zur Seite, bekam einen Fuß zu fassen und folgte dem Hosenbein hinauf zum Gürtel. Er tastete umher und fühlte eine Kette. Er öffnete den Gürtel, zog die Schlüsselkette heraus und schloss fest die Hand darum. Dann schlüpfte er durch das Fenster der Fahrerkabine und tauchte an die Oberfläche, holte tief Luft und schwamm an die Stelle zurück, wo er den Bagger unter sich vermutete. Er pumpte seine Lungen voller Luft und sank hinab. Seine Augen brannten. Der Bagger war auf die Seite gekippt. Knox zog sich durch das kaputte Fenster. In der Kabine war keine Luft mehr. Zusammengesackt und reglos lag Mohammed am Boden. In der Eile fielen Knox die Schlüssel aus der Hand. Als er sie wieder gefunden hatte, war der Druck in seinen Lungen fast unerträglich geworden. Sein Körper drängte nach oben. Aber er nahm Mohammeds Handgelenk und probierte den ersten Schlüssel. Er passte nicht. Der zweite auch nicht. Panisch und ungläubig versuchte er es erneut. Immer noch nichts. Er hätte schreien können und brauchte Luft. Die andere Schelle war am Lenkrad befestigt. Er probierte hier den ersten Schlüssel, dann den zweiten. Jetzt glitt er ins Schloss. Er drehte ihn herum, öffnete die Schelle, packte den großen Mann am Kragen, zerrte ihn durch das Fenster und hoch an die Oberfläche. Dann schwamm er mit einem Arm durch die Untiefen, während er Mohammed mit dem anderen hinter sich herschleppte und schließlich ans Ufer zog.
Er legte eine Hand auf die Brust, die andere an den Hals. Das Herz des großen Mannes hatte aufgehört zu schlagen. Natürlich hatte es aufgehört, verflucht! Er hatte seit drei Minuten nichts als Wasser eingeatmet. Knox versuchte sich an die Lektionen zu erinnern, die er als Tauchlehrer gelernt hatte. Wenn Wasser in die Atemwege dringt, zieht sich automatisch die Kehle zusammen, damit das aufgenommene Wasser nicht weiter in den Körper vordringen kann. Aber nach einem Herzstillstand entspannen sich die Atemwege häufig, sodass das Wasser schließlich doch in die Lunge eindringt. Kurt, ein spindeldürrer Österreicher mit einem Bart bis zu den Brustwarzen, hatte die klassischen Maßnahmen zur Wiederbelebung gelehrt. Doch nebenbei hatte er sarkastisch angemerkt, dass er, wenn sein Leben davon abhinge und unabhängig von der geläufigen Meinung, man sollte ihn nur im äußersten Notfall anwenden, sofort den Heimlich-Handgriff würde haben wollen, weil das Gehirn, wenn die Atemwege zu lange blockiert sind, irgendwann im Arsch ist. Knox umfasste den großen Mann in der Höhe der Magengrube, legte beide Hände übereinander und übte einen kräftigen, plötzlich Ruck gegen den Magen aus. Schaumiges, dunkles Wasser sprudelte wie Blut aus Mohammeds Mund und Nase. Knox pumpte, bis nichts mehr herauskam, legte ihn dann wieder auf den Boden, neigte den Kopf zurück, um die Atemwege zu öffnen, hielt ihm die Nase zu und beatmete ihn zweimal. Immer im Wechsel drückte er auf den Bauch und beatmete, bis Mohammed endlich zuckte, würgte, nach Luft schnappte, den
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