Das Gottesgrab
Block und Stift heraus und bückte sich, um die Nummer von Knox’ Jeep aufzuschreiben. Dann ging er wieder hinein und diktierte sie in den Telefonhörer.
Die Schlüssel des Jeeps steckten in der Zündung. Für einen verrückten Moment überlegte Knox, einfach davonzufahren. Wenn Hassan ihn schnappte, war er sowieso am Ende. Doch obwohl die ägyptischen Soldaten einen ziemlich vergnügten und entspannten Eindruck machten, würde sich das bei seiner Flucht im Handumdrehen ändern. Die Gefahr durch Selbstmordattentäter war in dieser Gegend einfach so hoch, dass sie kein Risiko eingehen konnten. Ehe er fünfzig Meter weit gekommen wäre, hätten sie ihn schon erschossen. Also zwang er sich, ruhig zu bleiben und zu akzeptieren, dass sein Schicksal nicht in seiner Hand lag.
Langsam legte der Offizier den Hörer auf, sammelte sich und kam aus der Hütte. Jetzt stolzierte er nicht mehr. Er sah nachdenklich aus, ja besorgt. Er gab seinen Männern ein Zeichen. Sofort waren sie in Alarmbereitschaft. Als er sich dem offenen Fenster des Jeeps näherte, trommelte er mit Knox’ Pass unruhig gegen die Knöchel seiner linken Hand. «Ich habe gerade sehr merkwürdige Gerüchte gehört», sagte er.
Knox’ Magen zog sich zusammen. «Was für Gerüchte?»
«Von einem Vorfall, an dem Hassan Al Assyuti und ein junger Ausländer beteiligt waren.»
«Davon weiß ich nichts», erwiderte Knox.
«Das freut mich», sagte der Offizier und schaute die Straße nach Scharm hinunter, als erwartete er, dass jeden Moment ein Fahrzeug auftauchen würde. «Denn wenn die Gerüchte wahr sind, sieht der besagte junge Ausländer einer sehr düsteren Zukunft entgegen.»
Knox schluckte. «Er hat ein Mädchen vergewaltigt», platzte er heraus. «Was hätte ich tun sollen?»
«Sich an die Behörden wenden.»
«Wir waren mitten auf dem Scheißmeer.»
«Sie werden bestimmt die Möglichkeit erhalten, Ihre Version zu erzählen.»
«Schwachsinn», sagte Knox. «Ich werde innerhalb einer Stunde tot sein.»
Der Offizier wurde rot. «Daran hätten Sie vorher denken sollen, oder?»
«Ich hätte mich raushalten sollen, meinen Sie? So wie Sie es jetzt tun?»
«Die Sache geht mich nichts an», entgegnete der Offizier finster.
Knox nickte. «Die Menschen in meinem Land glauben, dass alle Ägypter Feiglinge und Diebe sind. Ich sage ihnen immer, dass sie unrecht haben. Ich erzähle ihnen, dass Ägypter ehrenhafte und tapfere Männer sind. Aber vielleicht habe ich unrecht gehabt.»
Es gab ein wütendes Gemurmel. Einer der Soldaten wollte in das geöffnete Fenster greifen, doch der Offizier packte sein Handgelenk. «Nein», sagte er.
«Aber er …»
«Nein.»
Der Soldat trat etwas verschämt zurück, während der Offizier Knox nachdenklich musterte. Offenbar wusste er nicht, was er tun sollte. Auf einem Hügel hinter ihnen tauchten Scheinwerfer auf. «Bitte», bat Knox. «Geben Sie mir eine Chance.»
Der Offizier hatte den näher kommenden Wagen nun ebenfalls bemerkt. Seine Miene verhärtete sich, als er eine Entscheidung traf. Er warf den Pass auf den Beifahrersitz und bedeutete seinen Männern, zur Seite zu treten. «Verlassen Sie Ägypten», riet er Knox. «Kehren Sie in Ihre Heimat zurück, hier sind Sie nicht mehr sicher.»
Knox atmete auf. «Ich verschwinde noch heute.»
«Gut. Und jetzt fahren Sie, bevor ich es mir anders überlege.» Knox legte einen Gang ein und jagte davon. Seine Hände begannen unkontrolliert zu zittern. Gerade nochmal davongekommen! Er hielt sich zurück, bis er weit genug vom Kontrollpunkt entfernt war, dann ballte er triumphierend die Faust. Er hatte etwas Dummes und Leichtsinniges getan, aber anscheinend sollte er noch einmal davonkommen.
III
Nessim, Hassan Al Assyutis Sicherheitschef, betrat das Hotel in Scharm, in dem Knox abgestiegen war. Ein Portier mittleren Alters schnarchte heiser an der Rezeption. Als Nessim die Durchgangsklappe zuschlug, wachte er mit einem erstickten Schrei auf. «Knox», sagte Nessim. «Ich suche Daniel Knox.»
«Der ist nicht hier», erwiderte der Portier schwer atmend. «Ich weiß, dass er nicht hier ist», sagte Nessim kalt. «Ich will sein Zimmer sehen.»
«Aber es ist sein Zimmer!», protestierte der Portier. «Sie können da nicht einfach rein.»
Nessim zog seine Brieftasche aus der Jackentasche, wobei er darauf achtete, dass der Portier seinen Schulterholster nicht sehen konnte. Er nahm fünfzig ägyptische Pfund heraus und legte sie auf den Tresen. «Das ist eine höfliche
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