Das Gottesgrab
Frage», sagte er.
Der Portier fuhr mit der Zunge über seine Lippen. «Dieses eine Mal kann ich wohl eine Ausnahme machen.»
Nessim folgte dem fetten Mann nach oben. Er grübelte immer noch darüber nach, was auf dem Boot geschehen war. Von einem ausländischen Herumtreiber abgehängt zu werden, war eine Demütigung für ihn. Zuerst hatte er gedacht, dass man Knox problemlos aufspüren könnte, aber so einfach war die Sache nicht. Durch einen Kontaktmann in der Armee hatte er erfahren, dass Knox sich irgendwie durch einen Kontrollpunkt gemogelt hatte. Als er das gehört hatte, war er außer sich vor Wut gewesen. Wie konnte man den Kerl so einfach durchlassen? Aber er war klug genug, keinen Aufstand zu machen. Nur ein Idiot legte sich in Ägypten mit der Armee an, und Nessim war kein Idiot.
Der Portier entriegelte die Tür und öffnete sie. Nervös schaute er sich um, ob die anderen Gäste sahen, was gerade passierte. Nessim ging hinein. Er hatte eine Nacht, um Knox in die Finger zu kriegen, und diese Zeit hatte er nur, weil Hassan gegen seine Schmerzen Morphium bekommen hatte. Wenn er am nächsten Morgen aufwachte, würde er wissen wollen, wie es aussah.
Er würde Knox wollen.
Nessim durchwühlte die schäbigen Klamotten, die im Kleiderschrank hingen, sah in den Seitentaschen der roten Segeltuchtasche nach und kniete sich hin, um die auf dem Boden aufgereihten Bücher zu begutachten. Ein paar Comics und Thriller, aber vor allem Texte über Ägypten und Archäologie. Außerdem ein paar CDs, manche mit Musik, andere für den Laptop. Er hob ein Ringbuch auf. Auf der Vorderseite stand in Englisch und Arabisch:
Mallawi-Ausgrabung
Bericht des ersten Jahres
Richard Mitchell und Daniel Knox
Nessim blätterte durch die Seiten. Texte und Fotos von einer Ausgrabung nahe einer ptolemäischen Siedlung wenige Kilometer von Mallawi in Mittelägypten. Nachdenklich legte er das Schriftstück zurück. Warum arbeitete ein Ägyptologe als Tauchlehrer in Scharm? Er sah sich weitere Materialien an. Karten und Fotos von Unterwasserriffen, soviel er erkennen konnte. Dann nahm er die Segeltuchtasche aus dem Kleiderschrank und verstaute darin die Schriftstücke. Er packte auch den Laptop, die CDs und Disketten ein. In der obersten Schublade des Schreibtischs entdeckte er Fotokopien von Knox’ Pass und Führerschein, die er wahrscheinlich für den Fall angefertigt hatte, dass er die Originale verlor. Außerdem lagen dort Passfotos, die bestimmt für die zahllosen Dokumente waren, die ein Ausländer brauchte, um auf der Sinai-Halbinsel zu arbeiten. Er sammelte auch diese Dinge ein und stopfte sie in seine Jackentasche. Dann nahm er die Segeltuchtasche und den Laptop und ging zur Tür. Der Portier gab ein leises Wimmern von sich. «Was?», fragte Nessim. «Ist was?»
«Nein», sagte der Portier.
«Gut. Ich gebe Ihnen einen Rat. Wenn ich Sie wäre, würde ich den Rest seines Krempels aus dem Zimmer räumen. Ich habe starke Zweifel, dass Ihr Freund in nächster Zeit zurückkommen wird.»
«Ach, wirklich?»
«Ja.» Nessim reichte ihm eine Visitenkarte. «Sollte er sich doch blicken lassen, rufen Sie mich an.»
KAPITEL 5
I
Die Moskitos waren an diesem Abend in feindseliger Stimmung. Gaille hatte zwei Räucherkerzen angezündet, ihr weißes Hemd eng um Hals und Handgelenke zugeknöpft, die lange Hose in die Socken gestopft und dann jeden noch freiliegenden Zentimeter Haut mit Moskitospray eingesprüht. Trotzdem fanden diese winzigen Biester einen Weg, um sie zu stechen. Dann schwirrten sie mit ihrem nervtötenden Summen davon und zogen sich an die hohe Decke des Hotelzimmers zurück, wo Gaille sie selbst dann nicht erwischte, wenn sie sich auf einen Stuhl stellte. Da war es schon wieder, dieses hämische Summen an ihrem Ohr. Sie schlug nach ihrem Hals, aber nur als Geste der Selbstbestrafung, weil sie sich so leicht kriegen ließ. Schon war es passiert. Ihre rechte Hand begann zu pochen, und ein roter Fleck zeichnete sich ab. Die Hand, mit der sie die Maus des Computers bediente, war ein leichtes Ziel, wenn sie jede Nacht diese verdammten Ausgrabungsberichte abtippte. Sie hielt kurz inne und schaute zum Fenster. Ein freier Abend könnte nicht schaden. Ein kühles Bier und ein nettes Gespräch. Aber wenn Elena sie in einer Bar erwischte …
Ohne Vorwarnung ging die Tür auf, und Elena schlenderte herein, als wäre es ihr Zimmer. Sie hatte keinerlei Respekt vor der Privatsphäre anderer, aber wehe, man wagte es, an ihre Tür zu
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