Das Gottesgrab
Ismael einen gewissen Mahmoud El Falaki, eine Karte anzufertigen.»
«Als Herrscher tut man sich mit der Forschung eindeutig leichter.»
«So ist es», pflichtete Ibrahim ihm bei. «Und die Karte ist auch sehr schön geworden. Aber leider nicht perfekt. Auch Mahmoud ist den alten Legenden erlegen, deshalb hat er Alexanders Grabmal nahe der Moschee eingezeichnet. Und heute drucken alle modernen Stadtführer und Geschichtsbücher die Karte nach und halten den Mythos so am Leben. Der arme Iman wird ständig von Touristen belästigt, die Alexander finden wollen. Aber dort werden sie ihn nicht finden, glauben Sie mir.»
«Wo sollten sie stattdessen suchen?»
«Wie gesagt, nordöstlich der alten Kreuzwege. Wahrscheinlich in der Nähe des Terra-Santa-Friedhofs. Etwas nordwestlich vom Shallalatpark.»
Mohammed sah niedergeschlagen aus. Ibrahim tätschelte seinen Arm. «Geben Sie die Hoffnung noch nicht auf», sagte er. «Eine Sache habe ich Ihnen noch nicht erzählt.»
«Was denn?»
«Ich habe sie noch niemandem erzählt. Ich wollte vermeiden, dass Gerüchte entstehen. Und Sie dürfen sich nicht allzu große Hoffnungen machen. Wirklich nicht.»
«Erzählen Sie.»
«In Alexandria gab es nicht nur ein Grabmal für Alexander, sondern zwei.»
«Zwei?»
«Ja. Das Soma, das große Mausoleum, von dem ich Ihnen erzählt habe, wurde um 215 vor Christus von Ptolemäus Philopater errichtet, dem vierten der ptolemäischen Könige. Aber davor hatte Alexander ein anderes Grab, eher im traditionellen makedonischen Stil. So ähnlich wie das, das Sie und Ihre Männer gestern gefunden haben.»
Mohammed schaute ihn erstaunt an. «Glauben Sie, wir haben dieses Grab gefunden?»
«Nein», sagte Ibrahim sanft. «Eigentlich nicht. Wir sprechen hier von Alexander, vergessen Sie das nicht. Die Ptolemäer hätten für ihn bestimmt etwas Spektakuläres gebaut.» Allerdings wusste er selbst nicht, was. Man wusste nicht einmal, wann Alexanders Leiche von Memphis nach Alexandria gebracht worden war. Heute stimmte man zwar darin überein, dass es im Jahre 285 vor Christus gewesen sein muss, fast vierzig Jahre nach seinem Tod. Doch niemand konnte zufriedenstellend erklären, warum die Überführung so lange gedauert haben soll. «Wir glauben, dass die Leiche öffentlich aufgebahrt worden ist, es ist also unwahrscheinlich, sie tief unten in den Katakomben zu finden. Außerdem wurde Alexander noch Jahrhunderte später als Gott verehrt. Die Stadtbehörden hätten niemals zugelassen, dass man selbst sein erstes Grabmal in eine öffentliche Nekropole umgewandelt hätte.»
Mohammed sah geknickt aus. «Warum sagen Sie dann, dass wir dieses erste Grabmal gefunden haben könnten?»
«Weil wir es mit Archäologie zu tun haben», entgegnete Ibrahim grinsend. «Man kann sich nie sicher sein.» Aber da war noch etwas, obwohl er das mit niemandem teilen wollte. Seit frühester Kindheit, als er den Gutenachtgeschichten seines Vaters über den Gründer dieser wunderbaren Stadt gelauscht hatte, hatte er einen Traum: Eines Tages wollte er bei der Entdeckung von Alexanders Grabmal eine Rolle spielen. Und an diesem Morgen, als er wach im Bett gelegen hatte, hatte er wieder diesen Traum gehabt und war überzeugt gewesen, dass er nun wahr werden könnte. Denn trotz all seiner intellektuellen Zweifel war er sich tief im Inneren doch sicher, dass der Fund, den sie sich gleich anschauen würden, etwas mit dem Grabmal zu tun hatte.
III
Nessim war die ganze Nacht unterwegs gewesen. Mit aller Kraft hatte er versucht, Knox zu finden, bevor Hassan aufwachte. Aber er hatte es nicht geschafft. Vor einer Viertelstunde war er einbestellt worden, und hier war er nun, in der Klinik in Scharm; er ballte seine Faust, um sich zu wappnen, ehe er an der Zimmertür seines Chefs klopfte.
Nessim war mit siebzehn in die ägyptische Armee eingetreten. Er war Fallschirmspringer geworden, ein Elitesoldat. Als seine Karriere durch eine Knieverletzung jäh beendet wurde, hatte er sich aus Langeweile in den endlosen afrikanischen Kriegen als Söldner verdingt. Doch nachdem eine zischende Granate in seinem Schoß gelandet war, ohne zu explodieren, hatte er gewusst, dass es an der Zeit war, etwas kürzer zu treten. Wieder in Ägypten, hatte er sich einen Namen als Bodyguard gemacht, ehe ihn Hassan als Sicherheitschef eingestellt hatte. Nessim hätte dieses Leben niemals überstanden, wenn er ein furchtsamer Mensch gewesen wäre. Aber Hassan hatte etwas an sich, das ihn beunruhigte. Ihm
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