Das Gottesgrab
hätte ich machen sollen?», brummte Knox. «Ich habe gesagt, ich hätte noch nie was von ihm gehört, und das Thema gewechselt.»
«Und du hast keine Ahnung, warum sie dich nicht leiden kann? Wahrscheinlich hast du sie einmal gefickt und dann nie wieder angerufen.»
«Quatsch.»
«Sicher? Bei mir ist es meistens so.»
Knox machte ein finsteres Gesicht. «Kann ich mir lebhaft vorstellen.»
«Was dann?»
«Keine Ahnung.» Er zuckte hilflos mit den Achseln. «Ich weiß es nicht. Es sei denn …»
«Was?»
«Oh, nein», sagte Knox. Plötzlich wurde ihm heiß. Er legte eine Hand an die Stirn. «Oh, Gott!»
«Was ist los?»
«Sie heißt nicht Gaille Dumas, du Idiot. Sie heißt Gaille Bonnard.»
«Dumas, Bonnard, wo ist denn da der Unterschied? Und überhaupt, wer soll diese Gaille Bonnard schon sein?»
«Sie ist Richards Tochter», sagte Knox düster. «Kein Wunder, dass sie mich hasst.»
II
Selbst mit geöffneter Balkontür war es in Gailles Zimmer schwül. Sie musste an dieses Zucken in Marks Gesicht denken, als sie Daniel Knox erwähnt hatte; wie er schnell das Thema gewechselt hatte und danach unruhig geworden war. Sie verfluchte ihr vorlautes Mundwerk, denn bis dahin hatte sie sich wirklich amüsiert. Natürlich kannten sich die beiden. Ehrlich gesagt, wäre es erstaunlich, wenn zwei in Cambridge ausgebildete Archäologen gleichen Alters nicht Freunde gewesen wären.
Manche Hassgefühle entstehen aus einer prinzipiellen Abneigung, andere aus einer persönlichen. Jedes Mal, wenn Gaille an Knox dachte, dem sie nie begegnet war, vermischten sich diese beiden Gefühle in ihr wie zwei sich windende Schlangen. Ihre Mutter war Nachtclubsängerin gewesen. Sie hatte nur eine kurze Affäre mit Gailles Vater gehabt, nicht zuletzt, weil ihm schließlich klar geworden war, dass er Männer bevorzugte. Gaille war erst vier Jahre alt gewesen, als ihr Vater die kleine Familie verlassen hatte und nach Ägypten geflohen war. Ihre Mutter, die sich nur mühsam mit einem homosexuellen Mann und einer gescheiterten Karriere abfinden konnte, hatte ihren Frust an Gaille ausgelassen. Außerdem hatte sie Trost im Missbrauch jeder Art von Drogen gesucht, die sie in die Finger bekommen konnte; bis Gaille schließlich einen der regelmäßigen Hilfeschreie am Vorabend ihres fünfzigsten Geburtstags falsch eingeschätzt hatte und ihre Mutter völlig durchgedreht war.
Als Kind hatte Gaille alles getan, um mit der Unsicherheit, Wut und Gewalttätigkeit ihrer Mutter fertig zu werden, aber es hatte nie funktioniert. Sie wäre unter dieser Belastung verrückt geworden, hätte sie nicht ein Ventil gehabt, eine Möglichkeit, den aufgestauten Druck abzulassen. Und das war der eine Monat in jedem Jahr gewesen, in dem sie ihren Vater bei einer seiner Ausgrabungen in Nordafrika oder in der Levante begleitet hatte. In diesen Monaten hatte sie jeden Augenblick genossen.
Mit siebzehn Jahren wollte Gaille ihren Vater westlich von Mallawi in Mittelägypten besuchen. Seit elf Monaten hatte sie wie besessen Koptisch, Hieratisch und die ägyptische Bilderschrift studiert, um ihren Vater davon zu überzeugen, dass er keine andere Wahl hatte, als sie einzustellen. Doch nur drei Tage bevor sie losfliegen sollte, war er unerwartet in ihrer Pariser Wohnung aufgetaucht. Maman hatte eine ihrer schlechten Phasen gehabt und wollte ihn nicht zu Gaille lassen. Sie musste sich vor die Zimmertür knien und durch die Ritzen lauschen. Aus einem Fernseher in der Nähe ertönte immer wieder lautes, blechernes Gelächter, sodass sie nicht alles hören konnte. Doch was sie mitbekommen hatte, war genug gewesen. Ihr Vater musste Mallawi verschieben, weil er sich um ein dringendes, privates Problem zu kümmern hatte. Die Ausgrabung sollte nun erst stattfinden, wenn Gaille schon wieder in der Schule war.
In jenem Jahr gelang ihrem Vater der krönende Triumph. Nur acht Wochen später entdeckte er ein so wichtiges ptolemäisches Archiv, dass Yusuf Abbas, der zukünftige Generalsekretär der staatlichen Antiquitätenbehörde, die persönliche Kontrolle der Ausgrabungsstätte übernahm. Gaille hätte dabei sein sollen, aber nein. An ihrer Stelle war ein altkluger junger Ägyptologe aus Cambridge namens Daniel Knox dabei gewesen. Das war also das dringende private Problem ihres Vaters gewesen! Ein Jucken in der Hose. Der Verrat war so schmerzhaft gewesen, dass Gaille ihrem Vater von diesem Augenblick an aus dem Weg gegangen war. Er hatte zwar versucht, mit ihr zu reden und
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