Das Gottesgrab
leserlichen Text. Er war seit Jahren nicht aktualisiert worden. Viele Leute auf der Liste waren entweder umgezogen oder hatten Ägypten ganz verlassen. Andere waren spurlos verschwunden. Aber die Liste war Nessims größte Hoffnung auf Erfolg, und er betete, dass es für ihn gut ausgehen würde.
KAPITEL 12
I
Am nächsten Morgen trafen Augustin und Knox als Erste an der Ausgrabungsstätte ein. Sie hofften, dass mittlerweile genug Wasser abgepumpt worden war, damit sie weiter in das Grabmal vordringen konnten. Beide wussten nur zu gut, dass es nicht leicht war, in Alexandria eine antike Stätte abzupumpen. Das äußerst poröse Kalksteinfundament saugte das Wasser wie ein riesiger Schwamm auf. Sobald man mit dem Abpumpen begann, gab dieser Schwamm sein gespeichertes Wasser ab, welches das abgepumpte ersetzte, bis der Pegel wieder hergestellt war. Mit den Mitteln, die sie zur Verfügung hatten, konnten sie nichts dagegen unternehmen. Sie konnten nur etwas Zeit schinden.
Doch kaum waren sie angekommen, merkten sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Pumpe keuchte wie ein Kettenraucher, der einem Bus hinterherjagt. Sie eilten nach unten. Offenbar war eine Dichtung geplatzt. Über den Boden der Rotunde strömte und spritzte Wasser in das makedonische Grabmal, und unter der trüben Oberfläche schimmerten die Leuchten wie die Lichter eines Schwimmbeckens.
Augustin rannte die Treppe wieder hinauf, um die Pumpe abzustellen. Knox stöpselte die Elektrokabel aus, zog Schuhe und Hose aus, sammelte alle Leuchten und Ventilatoren ein und trug sie aus dem Wasser hoch auf die Stufen. Die Pumpe kam zur Ruhe, und gurgelnd floss das Wasser in den Rohren zurück. Knox wartete, bis es ruhig wurde, stöpselte dann die Kabel wieder ein und beleuchtete das Chaos. Augustin kam zu ihm auf die oberste Stufe und schüttelte entsetzt den Kopf. « Merde!, Mansoor reißt mir den Arsch auf.»
«Können wir die Pumpe hier reinbringen?»
«Ich habe das Biest nur organisiert», knurrte Augustin. «Ich habe keine Ahnung, wie es funktioniert.» Aber dann schien er einen Einfall zu haben. Er verschwand und kehrte mit vier Körben zurück, warf Knox zwei davon zu und schöpfte mit den anderen das Wasser ab.
«Das kann nicht dein Ernst sein», meinte Knox.
«Hast du eine bessere Idee?», entgegnete Augustin, der bereits durch den Gang zum Grundwasserspiegel eilte. Knox folgte ihm. Die schweren Körbe strapazierten seine Schultern und Oberarme und hinterließen auf den Fingern rote Striemen. Sie grinsten sich an, als sie ihre Ladung ausschütteten und zurückliefen. Nach ein paar Gängen trafen andere Mitarbeiter ein. Als sie sahen, was geschehen war, packten sie mit an. Bald schöpfte das gesamte Team das Wasser ab. Nach zahllosen Gängen waren Knox’ Beine weich wie Gummi. Trotz seiner anfänglichen Skepsis funktionierte Augustins Idee gut. Der Wasserpegel war bereits so weit gesunken, dass die hohen Stufen zwischen dem Vorhof und der Vorkammer sowie zwischen der Vorkammer und der Hauptkammer als Dämme fungierten, die drei getrennte Reservoirs bildeten. Als Knox sich hinkniete, um seine pochenden Hände im Wasser zu kühlen, fiel ihm etwas Merkwürdiges auf. Der Wasserpegel in der Hauptkammer war niedriger als in der Vorkammer und auch niedriger als die Stufe, die beide trennte.
Seine Erschöpfung war vergessen. Nachdenklich ging er in den Vorhof. «Hat jemand Streichhölzer?», fragte er.
II
Als Gaille eintraf, war an der Ausgrabungsstätte die Hölle los. Da sie in der Hauptkammer noch nicht alles fotografiert hatte, war ihre erste Sorge, dass sie keine Chance mehr hatte, ihre Arbeit zu beenden. Sie streifte ihre Schuhe ab, krempelte die Hose hoch und watete ins Wasser, um genauer nachzuschauen. Ihr Begleiter des vergangenen Abends war bereits dort und warf Streichhölzer in die Ecken. «Drücken Sie sich?», fragte sie.
«Schauen Sie!», sagte er und zeigte in die Vorkammer. «Sehen Sie, dass der Wasserpegel dort höher ist?»
Gaille verstand die Bedeutung sofort. «Und wohin fließt das Wasser ab?»
«Gute Frage», erwiderte Knox aufgeregt. «Eigentlich müsste das ganze Bauwerk aus massivem Fels gehauen sein.» Er warf die letzten Streichhölzer in die Ecken, dann beobachteten beide gespannt, wie sie durch den Sog langsam aufeinander zutrieben.
«Ich habe den Abend gestern wirklich genossen», murmelte Gaille.
«Ich auch.»
«Vielleicht können wir das irgendwann wiederholen.»
«Gerne», sagte er. Dann verzog er das Gesicht.
Weitere Kostenlose Bücher