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Das Gottesgrab

Das Gottesgrab

Titel: Das Gottesgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Besprechung?», meinte Mansoor stirnrunzelnd. «Haben Sie ihn nicht herausholen lassen?»
    Ibrahims Wangen glühten. «Du kennst ihn doch. Er wird schon zurückrufen.» Er wandte sich an Gaille. «Dürfen wir Ihre Fotos sehen?»
    «Natürlich.»
    Sie gingen in die Küche und setzten sich an den Tisch. Gaille lud die Bilder auf ihren Laptop und öffnete sie der Reihe nach.
    «Demotisch», bemerkte Ibrahim trübsinnig, als Gaille ihm die Inschrift zeigte. «Warum gerade Demotisch?»
    «Gaille kann Demotisch», sagte Elena. «Sie arbeitet an der Sorbonne an einem Wörterbuch.»
    «Ausgezeichnet», sagte Ibrahim strahlend. «Dann können Sie den Text für uns übersetzen?»
    Gaille musste auflachen. Eigentlich sollte Ibrahim wissen, dass Demotisch ein Buch mit sieben Siegeln ist. Sie zu fragen, ob sie diesen Text übersetzen könnte, war so, als würde man jemanden fragen, ob er Englisch spreche, um dann in einem derben Gälisch auf ihn einzureden.
    Im alten Ägypten wurde nur eine Hauptsprache gesprochen, doch hatte es für diese Sprache eine Reihe verschiedener Alphabete gegeben. Das erste waren die Hieroglyphen, stilisierte Piktogramme, die man von Tempeln, Grabmalen und Hollywoodfilmen kennt. Sie wurden um 3100 vor Christus erfunden. Frühe Ägyptologen hatten die Hieroglyphen für eine reine Bildsprache gehalten, in der jedes Symbol einen einzelnen Begriff darstellte. Doch nachdem der Stein von Rosette gefunden worden war, auf dem identische Texte in Hieroglyphen, Demotisch und Altgriechisch eingemeißelt waren, hatten Thomas Young und dann Jean-Francis Champollion durch den Vergleich gefolgert, dass diese Piktogramme sowohl phonetische als auch symbolische Bedeutung hatten, dass sie, kurz gesagt, Buchstaben waren, die auf vielfache Weise kombiniert werden konnten, um Wörter zu bilden. Dementsprechend handelte es sich um ein ausgedehntes Vokabular, um eine Sprache mit eigener Syntax und Grammatik.
    Hieroglyphen sahen auf den Mauern von Tempeln und Palästen und auf offiziellen Dokumenten zwar phantastisch aus, sie waren jedoch viel zu kompliziert für den alltäglichen Gebrauch. Deshalb war damals fast gleichzeitig ein einfacheres und schneller zu schreibendes Alphabet entwickelt worden, das Hieratische. Hieratisch wurde im antiken Ägypten in der Literatur, im Handel und in der Verwaltung benutzt, weshalb man diese Schrift vor allem auf billigerem Material wie Holz, Papyrus und Ostraka fand. Um sechshundert vor Christus hatte sich dann eine dritte Schrift namens Demotisch entwickelt, die das Hieratische einer ägyptischen Kurzschrift gleich auf eine Reihe von Strichen, Haken und Punkten reduzierte. Was diese Schrift noch schwieriger machte, war, dass sie weder Vokale noch Leerstellen zwischen den Wörtern gekannt hatte, ihr Vokabular groß und volkstümlich gewesen war, das Alphabet sich von Region zu Region bedeutend unterschieden und über die Jahrhunderte gewaltig verändert hatte. Im Grunde war es also eine Familie verwandter Sprachen und nicht nur eine. Ihre Beherrschung setzte ein jahrelanges Studium und einen Satz Wörterbücher voraus, der ein ganzes Regal füllte. Je nachdem, welche Form für die Inschrift benutzt worden war und welche Mittel Gaille zur Verfügung stehen würden, könnte die Entzifferung Stunden oder Tage oder gar Wochen dauern. Mit einem gequälten Blick zu Ibrahim fasste sie all dies zusammen.
    «Ja, ich weiß», sagte er und errötete schuldbewusst. «Trotzdem.»
    Gaille seufzte, doch in Wahrheit spornte sie die Herausforderung an. In der Kammer war es zu dunkel gewesen, um viel von der Inschrift zu erkennen. Aber ihre Kamera hatte eine erstaunliche Auflösung, und die Fotos waren trotz des Staubs und der Spinnweben so klar und deutlich geworden, dass die demotischen Schriftzeichen gut lesbar waren. Sie vergrößerte die Aufnahme erneut. Irgendetwas an der Inschrift störte sie, doch sie wusste nicht, was.
    «Und?», fragte Ibrahim.
    «Würden Sie mich einen Moment allein lassen?»
    «Natürlich.» Und dann schob er die anderen hinaus, um ihr etwas Ruhe zu verschaffen.

II
    Knox lag vollkommen reglos auf den Vordersitzen des Jeeps. Die Verfolger hatten sich direkt vor dem Wagen versammelt, schöpften Atem und besprachen ihr Vorgehen. Der Schweiß auf seiner Haut kühlte ab und ließ ihn trotz der Wärme des Tages zittern. Plötzlich wackelte der Jeep. Jemand hatte sich auf die Motorhaube gesetzt. Er hörte das Schnappen eines Feuerzeugs. Zigaretten wurden angezündet, die Männer

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