Das Gottesgrab
beichten zu müssen, entmutigte ihn plötzlich. Er musste zeigen, dass er etwas tat. Er musste demonstrieren, dass er aktiv war. Bisher hatte er bei der Jagd auf Knox nur auf Vertraute zurückgegriffen. Aber die Zeit der Diskretion war vorbei. Er holte seine Brieftasche hervor, zählte sein Bargeld und wandte sich an Hosni, Ratib und Sami. «An die Telefone», befahl er. «Tausend Dollar für den, der Knox’ Jeep findet. Zweitausend, wenn er drinsitzt.»
Ratib verzog das Gesicht. «Aber dann wird jeder wissen, dass wir das waren», protestierte er. «Wenn Knox tot ist, meine ich.»
«Hast du einen besseren Vorschlag?», blaffte Nessim. «Oder willst du vielleicht dieses Mal Hassan erzählen, dass wir Knox immer noch nicht gefunden haben?»
Ratib senkte seinen Blick. «Nein.»
Nessim seufzte. Der Stress setzte ihm zu. Und Ratib hatte nicht unrecht. «Okay», sagte er. «Nur Leute, denen ihr vertraut. Einer in jeder Stadt. Und sagt ihnen, wenn sie herumquatschen, kriegen sie es selbst mit Hassan zu tun.»
Seine Männer nickten und griffen nach ihren Handys.
V
Als der Learjet der Dragoumis-Gruppe an diesem Abend in Thessaloniki landete, hatte Gaille beschlossen, dass sie sich an diese Art des Reisens gewöhnen könnte. Und das trotz ihres schlechten Gewissens wegen der Schadstoffemissionen für einen Flug, der einer reinen Laune entsprungen war. Die weißen Ledersitze waren so bequem, dass sie vor Wohlbehagen hätte aufstöhnen können, das Fenster hatte die Größe eines Breitwandfernsehers, ein Butler servierte Speisen und Getränke, und dann kam auch noch der Copilot zu ihr, um zu besprechen, wann sie am nächsten Morgen zurückfliegen wollte. Am Flughafen wurde sie von einem Beamten der Einwanderungsbehörde mit übertriebener Höflichkeit begrüßt – «Jeder Freund von Herrn Dragoumis, Frau Bonnard …», und dann brachte sie ein Chauffeur in einem blauen Bentley flugs hinaus in die Berge über Thessaloniki. Gaille konnte sich einfach zurücklehnen und den Nachthimmel bewundern.
Sie erreichten ein von Mauern gesäumtes Anwesen, vor dem Wachen patrouillierten. Sie wurden durchgewunken und fuhren auf einen weiß getünchten Palast zu, der erleuchtet war wie eine Filmkulisse. Und dann, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, trat Dragoumis mit hinter dem Rücken gefalteten Händen persönlich vor die Tür, um sie zu begrüßen. Nach allem, was Gaille sich während des Fluges vorgestellt hatte, war sie überrascht und erleichtert zu sehen, wie klein und schmächtig er war. Er war unrasiert und sah bäuerlich und sehr griechisch aus. Für einen kurzen Augenblick dachte sie, dass sie mit ihm leicht zurechtkommen würde und sich nicht vor ihm fürchten musste. Doch als sie näher kam, wurde ihr klar, dass sie sich geirrt hatte.
KAPITEL 23
I
Knox fuhr über kleine Nebenstraßen nach Ras El Sudr. Dabei kam er durch Tanta, die größte Stadt des Deltas. Irgendjemand hatte kürzlich von der Stadt gesprochen, aber er kam nicht darauf, wer es gewesen war. Erst als er den Ort hinter sich ließ, fiel ihm Gailles Bemerkung über den Portier ihres Hotels in Tanta ein. Er hielt am Straßenrand an, um nachzudenken. Bisher hatte er sich keine großen Gedanken über Elenas Ausgrabung im Delta gemacht. Zu viel war geschehen. Aber vielleicht war das ein Fehler gewesen. Besonders weil jetzt Nicolas Dragoumis auf der Bildfläche aufgetaucht war.
Es war kein Geheimnis, dass Elenas Makedonische Archäologische Stiftung von der Dragoumis-Gruppe gesponsert wurde. Und die Dragoumis, wusste Knox, hatten keinerlei Interesse an Ägypten, sondern nur an Makedonien. Wenn sie also eine Ausgrabung im Delta finanzierten, suchten sie nach makedonischen Zeugnissen. Vielleicht bestand dabei eine Verbindung zu dem Fund in Alexandria. Es könnte mit Sicherheit nicht schaden, mehr herauszufinden.
Er fuhr zurück in die Stadt, fand eine Bar mit einem Telefonbuch und rief in allen umliegenden Hotels an, um nach Elena zu fragen. Beim fünften Versuch landete er einen Treffer. «Sie ist nicht hier», sagte der Nachtportier. «Alexandria.»
«Was ist mit ihrem Team?»
«Wen wollen Sie sprechen?»
Knox legte auf, notierte die Adresse des Hotels und lief zurück zu seinem Jeep.
II
Philipp Dragoumis führte Gaille durch Gewölbegänge und über glänzende Mosaikböden in einen Salon mit prächtigen Ölgemälden und Gobelinen an den Wänden. Er machte eine kleine, undeutliche Geste, und plötzlich saß Gaille in einem gelben Sessel, ohne genau zu
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