Das Gottesgrab
und Port Said unterhielt, damit es die weiter entfernt wohnenden Freunde und Verwandten leichter hatten. Besonders wichtig waren die Familienangehörigen, denn die Chancen, unter ihnen einen Spender zu finden, waren bedeutend größer. Sie hatten weitere 67 Menschen testen lassen und damit alle Mittel aufgebraucht, die Ibrahim zur Verfügung gestellt hatte. Vor einer Stunde hatte Dr. Serag-Al-Din versprochen, ihnen telefonisch die Ergebnisse mitzuteilen. Das Warten auf das Klingeln des Telefons war die zermürbendste Erfahrung in Mohammeds Leben. Nur zuckte zusammen, als er ihre Hand zu fest drückte. Er entschuldigte sich und ließ sie los. Doch sie brauchte den Körperkontakt genauso sehr wie er, und nach wenigen Augenblicken hatten sich ihre Hände wieder gefunden.
Layla lag im Bett. Sie hatten beschlossen, ihr erst von den neuen Tests zu erzählen, wenn sie Ergebnisse hatten. Aber sie war ein aufgewecktes und empfindsames Kind. Mohammed vermutete, dass sie ganz genau wusste, was vor sich ging, dass bald das Urteil über Leben oder Tod ausgesprochen werden würde.
Endlich klingelte das Telefon. Die beiden schauten sich an. Nur verzog ihr Gesicht und begann zu weinen. Mit pochendem Herzen nahm Mohammed den Hörer. «Ja?», sagte er. Aber es war bloß Nurs Mutter, die wissen wollte, ob sie schon etwas erfahren hatten. Frustriert biss er auf seine Lippe und gab den Hörer weiter. Nur wimmelte sie mit dem Versprechen ab, sofort anzurufen, sobald sie etwas wüssten. Mohammed schlug die Beine übereinander. Er hatte das Gefühl, Durchfall zu haben, wagte aber nicht, auf die Toilette zu gehen.
Das Telefon klingelte erneut. Mohammed holte tief Luft und nahm ab. Dieses Mal war es Dr. Serag-Al-Din. «Herr El Dahab», sagte er. «Ich hoffe, Ihnen und Ihrer Frau geht es gut.»
«Uns geht es gut, danke. Haben Sie unsere Ergebnisse?»
«Natürlich habe ich Ihre Ergebnisse», sagte er freundlich. «Was glauben Sie, warum ich anrufe?»
«Und?»
«Haben Sie etwas Geduld mit mir. Ich bin in Ihrer Akte etwas durcheinandergekommen.»
Mohammed schloss die Augen und ballte seine Faust. Komm schon, du Sohn eines Hundes. Sag etwas. Irgendetwas. «Bitte», flehte er.
Papierrascheln. Dr. Serag-Al-Din räusperte sich. «Ja», sagte er. «Da haben wir sie.»
III
Es war schon dunkel, als Ibrahim und Elena in Kairo eintrafen, um sich mit Yusuf Abbas zu treffen. Der mächtige Mann erwartete sie in einem reich verzierten Konferenzzimmer und telefonierte. Als sie eintraten, schaute er mürrisch auf und deutete vage auf Stühle. Ibrahim stellte seinen Laptop auf den Tisch und wartete, dass Yusuf aufhörte, mit seinem Sohn Mathematikhausaufgaben zu besprechen.
Jede Begegnung mit seinem Chef empfand der feinsinnige Ibrahim als äußerst unangenehm. Seit Yusuf eine Palastrevolte angezettelt und den Platz seines tatkräftigen, beliebten und höchst respektierten Vorgängers eingenommen hatte, war er absurd fett geworden. Ibrahim fand es schon abstoßend zu sehen, wie sich Yusuf aus einem Stuhl hievte. Es glich dem Segelsetzen einer alten Fregatte. Yusuf musste sich eine Weile innerlich darauf vorbereiten, und wenn er dann seine Arme auf die Lehnen stützte, war es, als würde der Wind die losgemachten Segel aufblähen, während die Takelage quietscht und der Anker eingeholt wird. Kam er dann tatsächlich in Bewegung, wollte man beinahe jubeln. Im Moment ruhten seine schwabbeligen Unterarme jedoch wie riesige Nacktschnecken auf dem polierten Walnusstisch, hin und wieder hob er einen Finger an den Hals, als wären seine Drüsen schuld an seiner Fettleibigkeit und nicht der permanente Verzehr reichhaltiger Kost. Wenn ihn jemand von der Seite ansprach, bewegte Yusuf, um ihn anzuschauen, nicht den Kopf, sondern nur die Augen; dabei glitten seine Pupillen in die Augenwinkel, was ihm einen karikaturhaft anrüchigen Ausdruck verlieh. Schließlich beendete er sein Telefonat und wandte sich an Ibrahim. «Diese Eile», sagte er. «Ich hoffe, es lohnt sich.»
«Ja», sagte Ibrahim. «Das tut es.» Er schaltete seinen Laptop an, zeigte seinem Chef Gailles Fotos von der unteren Kammer und erklärte, wie sie entdeckt wurde.
Yusufs Augen leuchteten auf, als er die Särge sah. «Sind die aus … Gold?», fragte er.
«Wir hatten noch keine Zeit für eine Analyse», sagte Ibrahim. «Mein Hauptanliegen war, die Stätte zu verschließen und Sie zu informieren.»
«Ganz richtig, ganz richtig. Das haben Sie gut gemacht. Sehr gut.» Er fuhr mit der
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