Das Gottesgrab
Zunge über seine Lippen. «Das ist eine bemerkenswerte Entdeckung. Ich denke, ich werde die Ausgrabung persönlich überwachen.»
Elena beugte sich vor. Nicht sehr weit, aber weit genug, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
«Ja?», fragte er.
«Wir sind uns beide des enormen Glücks bewusst, dass Sie trotz Ihrer anderen Verpflichtungen für dieses Treffen Zeit gefunden haben, Herr Generalsekretär, denn wir wissen, dass Ihre Zeit außerordentlich kostbar ist.» Ihr Arabisch klang gestelzt und schwerfällig, bemerkte Ibrahim, doch ihre Haltung und die Schmeicheleien waren tadellos. «Wir sind froh, dass Sie, wie wir, diesen Fund für historisch bedeutend erachten, und wir sind erfreut, dass Sie sich persönlich an der Ausgrabung engagieren werden. Aber nicht allein um diese aufregenden Neuigkeiten mit Ihnen zu teilen, waren Herr Beyumi und ich so begierig auf dieses Treffen. Noch etwas anderes bedarf Ihrer Weisheit und dringenden Prüfung.»
«Etwas anderes?», fragte Yusuf.
«Die Inschrift», sagte Elena.
«Inschrift? Welche Inschrift?» Er starrte Ibrahim an. «Warum haben Sie mir nichts von einer Inschrift gesagt?»
«Ich dachte, ich hätte es, Herr Generalsekretär.»
«Wollen Sie mir widersprechen?»
«Selbstverständlich nicht, Herr Generalsekretär. Verzeihen Sie.»
Er zeigte ihm wieder das Foto der Inschrift auf dem Laptop.
«Ach, das », sagte Yusuf. «Warum haben Sie nicht gesagt, dass wir darüber sprechen?»
«Verzeihen Sie, Herr Generalsekretär. Das war mein Fehler. Sie werden bemerken, dass die Schriftzeichen Demotisch sind, die Inschrift aber eigentlich Griechisch ist.» Er deutete auf Elena. «Eine Kollegin von Frau Koloktronis hat sie entziffert. Ich kann Ihnen die Kodierung des Textes erläutern, wenn es Sie interessiert. Andernfalls ist hier eine Kopie der Übersetzung.»
Yusufs Kiefer mahlten schwer, als er den Text las, und seine Augen wurden groß, als er die Bedeutung verstand. Kein Wunder, dachte Ibrahim. Memphis war im antiken Ägypten als Weiße Mauer bekannt gewesen. Desh Ret, das rote Land, war der Ursprung des Wortes Desert, Wüste. Kelonimos bezeichnete Alexander als ‹Sohn des Amun›, der Ruheort seines Vaters war demzufolge das Orakel von Amun in der Oase Siwa, wo Alexander, wie alte Quellen behaupteten, bestattet werden wollte. Demzufolge besagte die Inschrift, dass eine Gruppe von Schildknappen Alexanders Leichnam direkt vor Ptolemäus’ Nase in Memphis geraubt und durch die Libysche Wüste zu einem Grabmal gebracht hatte, das in Sichtweite des Orakels von Amun in der Oase Siwa vorbereitet war. Als Ptolemäus sie verfolgt hatte, hatten sie lieber Selbstmord begangen, als ihm in die Hände zu fallen. Alle außer Kelonimos, Bruder des Akylos, der einer Gefangennahme entgangen war; er hatte später die Leichen seiner Kameraden in Erfüllung seines Schwurs zur Bestattung zurück nach Alexandria gebracht.
Als Yusuf zu Ende gelesen hatte, zwinkerte er. «Ist das … ist das glaubwürdig?», fragte er.
«Die Übersetzung ist korrekt», antwortete Ibrahim vorsichtig. «Ich habe sie selbst überprüft. Und wir sind auch der Meinung, dass die Inschrift echt ist. Sie haben auf den Fotos von der unteren Kammer ja selbst gesehen, dass dieser Kelonimos alles Erdenkliche getan hat, um diese Männer zu ehren. Das hätte er nicht zum Spaß gemacht.»
«Aber das muss doch verrückt gewesen sein», sagte Yusuf nachdenklich. «Warum haben diese Männer ihr Leben für so ein Himmelfahrtskommando weggeworfen?»
«Weil sie glaubten, es sei Alexanders letzter Wunsch gewesen, in Siwa bestattet zu werden», antwortete Elena. «Ptolemäus hat diesen Wunsch missachtet, als er ein Grabmal in Alexandria bauen ließ. Sie dürfen nicht vergessen, dass Alexander für diese Menschen ein Gott gewesen war. Sie hätten alles riskiert, um seine Befehle auszuführen.»
«Sie wollen mich doch bitte nicht glauben machen, dass Alexander in Siwa bestattet ist, Frau Koloktronis», seufzte Yusuf. Ibrahim wusste, was seinem Chef durch den Kopf ging. In den frühen 1990er Jahren hatte eine andere griechische Archäologin der Weltpresse verkündet, sie hätte Alexanders Grabmal in der Oase Siwa gefunden. Obgleich ihre Behauptung schnell und umfassend widerlegt worden war, löste die Kombination Siwa und Alexander in der archäologischen Fachwelt seither eine gewisse Erheiterung aus.
«Nein», entgegnete Elena. «Alexanders einbalsamierte Leiche war noch Jahrhunderte, nachdem diese Inschrift entstanden ist,
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