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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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verblüffend
kreative Methoden zur vielfältigsten kulinarischen Zubereitung
der Corpus-Dei- Filetsersonnen. Es verdrießt ihn,
daß während der Hungerzeit so viele Gewürze und
Zutaten verschleudert worden sind, aber er ist ein Meister der
Improvisation. Beispielsweise hat der hiesige Sand einen
ausgesprochen pfefferähnlichen Beigeschmack. Weitere
Möglichkeiten der Verfeinerung bietet der Corpus Dei selbst: Warzenschnitze ersetzen uns die Pilze, von Muttermalen
geschabtes Gewebe geben die Knoblauchzehen ab,
Tränenkanalscheiben dienen als Zwiebeln. Am erstaunlichsten an
allem ist allerdings, daß unser Küchenchef jetzt, indem er
einen Trinkwasserzubereiter und einen Mikrowellenherd zu einer Anlage
kombiniert, die eine schnelle Fermentierung bewirkt, aus Gottes Blut
ein Getränk destillieren kann, das wie hochklassiger Burgunder
schmeckt.
    Die Namen, die Sam seinen Gerichten verleiht - Bourguignon Dieu,
Domine Gumbo, Padre Stroganoff, Godde-Vader-Soep –, vermitteln
nicht einmal den entferntesten Eindruck von ihrer Nahrhaftigkeit und
Köstlichkeit. Nie zuvor, Popeye, hat die Zunge eines Menschen
derartige Herrlichkeiten geschmeckt:
     
    Bourguignon Dieu
     
    REZEPT FÜR 35 PERSONEN
     
10 kg Fleischwürfel
7 Tassen Fleischbrühe
42 geschnittene Zwiebeln
1,5 kg geschnittene Pilze
14 Tassen Burgunder
7 Knoblauchzehen
     
Fleisch für 4 Std. in Wein und Brühe einlegen.
Heisch herausnehmen und Marinade beiseitestellen. Zwiebeln in 3
schweren Kasserollen gleichzeitig anbraten, herausnehmen und
beiseitestellen. Heisch in denselben Kasserollen bis zur
Bräunung anbraten. Marinade beigeben, die Kasserollen mit dem
Deckel schließen und den Inhalt 2 Std. lang bei
mäßiger Temperatur zum Köcheln bringen. Zwiebeln
zurück in die Kasserollen geben, Pilze und Knoblauchzehen
hinzufügen und das Gericht in zugedeckelten Kasserollen noch
1 Std. lang bei niedriger Temperatur köcheln lassen.
     
    Trotz allem ist der arme Smutje mit unserer Ernährung
unzufrieden. Er versucht es mit allem, was ihm in den Sinn kommt,
gewinnt aus dem Wasser des Golfs von Cádiz Selen, Jod und
andere Mineralien, die er dann den Gerichten beimischt, aber es
genügt ihm nicht. »Im wesentlichen besteht das Essen nur
aus Fett und Eiweiß«, hat er mir erläutert.
»Aber Menschen, die sich von einer Hungerphase erholen, brauchen
Vitamin C, Sir. Sie müssen Vitamin A haben, den ganzen
Vitamin-B-Komplex, Kalzium, Kalium…«
    »Vielleicht können wir«, schlug ich vor, »die
Leber verwerten.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Um sie zu erreichen,
müßten wir uns allerdings durch sechzig Meter des
zähsten Fleischs auf dem ganzen Planeten schneiden, und das
dauert wenigstens drei Wochen.«
    Seit 1903 hat es auf keinem amerikanischen Handelsschiff mehr
einen Ausbruch von Skorbut gegeben, Popeye, doch an dieser
erfreulichen Tatsache könnte sich nun etwas ändern.
     
    Als endlich wieder zum Essen gerufen wurde – mit einem
gedämpften Signal aus dem Nebelhorn der Valparaíso, das nach der Schofar klang, die das Rosch Haschanah ankündet
–, besah sich Neil Weisinger seine Hände mit langem,
aufmerksamem Blick. Er kannte sie kaum wieder. Blasen bedeckten die
Handteller wie Nester kleiner, roter Eier. An den Ansätzen der
Finger hatte er weiße Schwielen.
    Er stieß den Spaten in den nassen Sand, nahm seine
Bugs-Bunny-Imbißdose und hockte sich hin. Ihm schmerzte der
Rücken. Muskelkater glühte in seinen Armen. Ringsum
öffneten schweißgebadete Angehörige der
Decksbesatzung ihre verschiedenerlei Freßbehältnisse mit
Hähnchenklein à la McNugget, Hacksteaks und
Fischfrikadellen, futterten sie mit schweinischer Gier. Sie waren auf
sich stolz. Anlaß dazu gab es durchaus. Innerhalb von nur
viereinhalb Tagen hatten sie einen Dreihunderttausendtonnenberg Sand
umgeschichtet und den größten Öltanker der Welt
wieder in die Höhe des Meeresspiegels abgesenkt.
    Neil schaute hinüber zur Bucht. Die im Sinken begriffene
Sonne glitzerte steuerbords im Auge des Schleppguts. Nebelschwaden
umschleierten den Archipel der Zehen. Träge wälzte die Flut
heran, brandete gegen den Rumpf der Valparaíso, umschäumte den Kiel. Er malte sich den Mond als eine Art von
gütiger Mutter aus, die sachte die gewellte Decke der Wogen
über den Südstrand der Insel breitete, und schwelgte
fortgesetzt in dieser zärtlichen Vorstellung, während er
aufstand und mit der Imbißdose verwegen einen kurzen Marsch
fort vom Schiff antrat.
    Der Vollmatrose steckte eine Hand in die

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