Das Gottesmahl

Sam Follingsbees
Bourguignon-Dieu-Rezept.
    Die Synode brauchte lediglich einen Tag, um die schlechte
Nachricht zur Kenntnis zu nehmen, darüber zu debattieren und
weiteres zu beschließen. Am 8. September traf um 13 Uhr 15 di
Lucas Bescheid ein.
     
Lieber Professor Ockham,
    es fällt uns schwer, auf Ihre Benachrichtigung zu
antworten. Kapitän van Horne hat versagt, Sie haben
versagt, Operation Jehova ist gescheitert. Der Heilige Vater
ist absolut untröstlich. Nach Aussagen von OMNIPATER 2000
ist inzwischen nicht allein Gottes Geist erloschen, auch ist
sein Fleisch und Blut dem Verwesungsprozeß
anheimgefallen. Wird nichts dagegen unternommen, dürfte
der Zerfall, bis das Einfrieren in die Wege geleitet werden
kann, so fortgeschritten sein, daß die von uns
gewünschte Bewahrung des Corpus Dei einer
Blasphemie gleichkäme.
Darum haben wir entschieden, dem Corpus Dei eine
Präparationsflüssigkeit einzuführen, ein
Verfahren, das nach Einschätzung OMNIPATERS 2000
reibungslos abwickelbar ist, weil Kapitän van Horne schon
18% des Bluts abgepumpt hat.
Zu diesem Zweck hat der Vatikan einen zweiten Supertanker
gechartert, die SS Karpag Maracaibo, ihn im Hafen
Palermo Formaldehyd bunkern lassen und durchs Mittelmeer auf
Westkurs befohlen. Schiffsführung und Besatzung haben
offiziell den Auftrag, ein Requisit eines geplanten Films
unbeschreiblich pornografischen Inhalts zu beschlagnahmen, um
die Produktion des Machwerks zu verhindern. Wir müssen
nicht erst bei Ihrem Freund Immanuel Kant nachschlagen, um uns
über die sittliche Fragwürdigkeit einer solchen
Vortäuschung im klaren zu sein, doch haben wir das
Empfinden, daß die wahre Identität des Corpus
Dei längst zu vielen Personen bekannt ist.
Erteilen Sie nach Fax-Erhalt Kapitän van Horne Weisung zur
Umkehr und Wiederanlaufen der Insel, der er seinen Namen
gegeben hat, damit sich die Valparaíso dort mit
der Maracaibo treffen kann. Ich werde selbst an Bord der Maracaibo sein, um die Formaldehyd-Injektion und die
anschließende Verbringung des Corpus Dei an die
letzte Ruhestätte persönlich zu
überwachen.
    Gott zum Gruß
Msgr. di Luca
(Sekretär für Besondere Kirchl. Angelegenheiten)
     
    Abgesehen von der rüden, nur durch Ignoranz erklärlichen
Schuldzuweisung im ersten Absatz rief die Mitteilung bei Thomas
durchaus Freude hervor. Wunder über Wunder: Anscheinend sollte
ihm eine zweite Gelegenheit gewährt werden, um Neil Weisinger
seine selbstmörderische Selbstbestrafung auszureden, eine Sache,
die ihn seit der Abfahrt von der Van-Horne-Insel ständig
belastete. Ebenso erleichterte ihn die Aussicht, die ganze üble
(zumal übelriechende), unlautere Operation Jehova in di Lucas
Verantwortung abschieben zu können. Im Moment wünschte sich
Thomas nichts sehnlicher, als heimkehren zu dürfen, es sich
wieder an der Fordham-Universität in seinem muffigen Büro
behaglich zu machen (wie sehr es ihm doch fehlte, wie arg er die
Miniatur des Foucaultschen Pendels vermißte, die gerahmten
Fraktalfotos, die Thomas-von-Aquin-Büste) und mit den
Chaos-Theorie-Seminaren des nächsten Semesters anzufangen.
    »Das ist doch wohl ’n Witz«, sagte van Horne,
sobald er di Lucas Fax gelesen hatte.
    »Meines Erachtens nicht«, entgegnete Thomas.
    »Ist Ihnen klar, was der Mann verlangt?« Van Horne nahm
Rafaels Feder vom Tisch und wedelte damit in der vom Gottesmief
verpesteten Luft. »Er fordert, daß ich das Kommando
abtrete.«
    »Ja. Tut mir leid.«
    »Und wie’s aussieht, tritt er Sie auch in den
Arsch.«
    »Was mich angeht, mir soll’s recht sein. Ich habe mich
nie um diese Aufgabe gerissen.«
    Van Horne setzte sich an den Schreibtisch, öffnete ein Fach,
brachte einen Korkenzieher, zwei Styropor-Becher und eine Flasche
Burgunder zum Vorschein. »Zu dumm, daß Sie di Luca
übers Ballastablassen informiert haben. Nun kann er diesen
Faktor bei seinen Berechnungen berücksichtigen, wenn er die
Verfolgung aufnimmt.« Der Kapitän bohrte den Korkenzieher
mit der gleichen Kompetenz in den Flaschenkorken, wie er die Probleme
der Herausforderung gelöst hatte, die Halsschlagader des Corpus Dei anzuzapfen.
    »Zum Glück haben wir ’n beachtlichen
Vorsprung.« Van Horne zerrte den Korken heraus und schenkte
großzügig Château de Dieu in die Becher. »Hier,
Thomas… Hilft gegen den Geruch.«
    »Muß ich aus Ihren Andeutungen die
Schlußfolgerung ziehen, daß Sie die Absicht haben, di
Lucas Anweisungen zu mißachten?«
    »Von Einbalsamierung haben unsere Engel kein