Das Gottesmahl
und
klappte die Tragflächen herab; anschließend drehte der
Pilot die Maschine um 180° und rollte mittschiffs zum
Startplatz. Sobald der Signalgeber mit der Kelle winkte, vollzog der
Pilot eine zweite Drehung, brachte den Motor auf Höchsttouren
und sauste, wobei Enteisungsmittel von den Rädern sprühte,
die Startbahn entlang. Halb befürchtete Oliver, daß das
Flugzeug ins Meer stürzte, aber ein gottgefügtes
Naturgesetz half mit – Bernouilli-Effekt hieß es, glaubte
er – und beförderte 6-T-9 über den Bug hinaus und hoch
empor über die Wogen.
»Die Devastator- Torpedoflieger brauchen vor den
Kampfbombern einen Vorsprung«, sagte Pembroke, während als
nächstes 6-T-11 dem schon gestarteten Kameraden in die
Lüfte folgte. Beide Flieger umkreisten den Flugzeugträger,
warteten auf die übrigen Maschinen. »Eine lahme Mühle,
so ’ne Devastator. Die Kisten waren schon veraltet, als
die ersten Exemplare das Werk verlassen haben.«
Ein Atemstoß des Erschreckens entfuhr Olivers Kehle, so
daß sich das Fenster des Bordmechanikers beschlug. »Ach,
veraltet?«
»Na, aber Anlaß zur Sorge gibt’s keinen«,
behauptete Pembroke.
»Der Golem ist schon so gut wie versenkt«, beteuerte
Flume.
»Und sollte alles schiefgehen, bleibt uns immer noch
Ersatzplan Neunundzwanzig-Siebenundsechzig.«
»Haargenau. Ersatzplan
Neunundzwanzig-Siebenundsechzig.«
»Was sieht Ersatzplan Neunundzwanzig-Siebenundsechzig denn
vor?« fragte Oliver.
»Wenn’s soweit ist, werden Sie’s erleben.«
»Wird Ihnen bestimmt gefallen.«
Paarweise gelangten die Devastator- Torpedoflieger auf das
Flugdeck, rollten in Position, drehten und starteten. Um 8 Uhr 15
waren die zur ersten Angriffswelle gehörigen Maschinen
vollzählig in der Luft, fünfzehn Flugzeuge, die sich in
drei Ketten aufteilten. Eine Stimmung mitreißender
Unabwendbarkeit wurde spürbar, das Gefühl, den Rubikon
überschritten und hinter sich sämtliche Brücken
verbrannt zu haben; etwas ähnliches war Oliver nicht mehr
widerfahren, seit er und Sally Morgenthau sich 1970 nach einem
Grateful-Dead-Konzert gegenseitig von der Jungfräulichkeit
befreit hatten. Mein Gott, hatte er damals gedacht, mein Gott, es
passiert wirklich und wahrhaftig.
»Geben Sie Gas, Leutnant«, schnauzte Flume in sein
Bordfunkmikrofon. »Wir wollen zu dem Tänzchen nicht zu
spät eintreffen.«
Der Jack-Reid-Darsteller drehte den Steuerknüppel um 30°
und jagte die Motoren auf volle Kraft hoch. Oliver, dessen Puls raste
(Es passiert, es passiert wirklich und wahrhaftig!), setzte den
Kopfhörer auf. Pembroke blätterte in einer Stars-and-Stripes- Ausgabedes Zweiten Weltkriegs. Flume
öffnete eine Tupperware-Dose und genehmigte sich ein Sandwich
mit Büchsenfleisch und Zwiebeln. Der Darsteller Leutnant Eatons
pfiff ›Embraceable You‹ über den Bordfunk. Erdbeere 11
brummte mit 450 km/h – in Höhe der Sonne, schien es –
über eine Kette klotziger Eisberge hinweg, schloß sich auf
dem Flug über die Norwegische See Major Lindseys tapferer
Staffel an.
Während seiner bisher kurzen, aber arbeitsreichen Laufbahn
als Vollmatrose hatte Neil Weisinger schon alle erdenklichen
Handelsschiffstypen gesteuert, von Lakers –
Binnenfrachtkähnen auf dem St.-Lorenz-Seeweg der Großen
Seen – bis zu Kühlschiffen, von Massengut- bis zu
Ro/Ro-Schiffen, aber noch nie am Steuerrad eines so absonderlichen
Wasserfahrzeugs wie der SS Karpag Maracaibo gestanden.
»Null-zwo-null steuerbord«, befahl Mick Katsakos, der
diensthabende Offizier, ein schwärzlicher Kreter in weißer
Glockenhose, ölfleckigem Parka und griechischer
Fischermütze.
»Null-zwo-null Steuerbord«, bestätigte Neil den
Befehl, stemmte sich gegen das Steuerrad.
Gehört hatte er natürlich schon von solchen
Golf-Tankern, die im Persischen Golf verkehrten und deren
Ausrüstung daher Rücksicht auf die politische Situation des
Nahen Ostens nahm. Ein bis zur Freibordmarke beladener Golf-Tanker
beförderte nur halb soviel Fracht wie ein normaler Supertanker,
verdrängte jedoch ein Drittel mehr Wasser. Ein einziger Blick
auf die Umrisse der Maracaibo genügte, um dies
Mißverhältnis zu erklären. Auf dem Vordeck standen
drei Phalanx-20-mm-Flugabwehrgeschütze; am Heck sechs
zwölfrohrige Meroka-Salvengeschütze; am Schanzkleid hingen
fünfzig Westland-Lynx-Wasserbomben Typ 5. Was Raketen betraf,
hatte die Maracaibo das sonst weniger leicht erreichbare Ideal
des Multikulturalismus insofern verwirklicht, als ihre Ausstattung
folgendes
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