Das Gottesmahl

umfaßte: Crotale- und Aspide-Raketen aus Frankreich
und Italien, Sea Darts aus Großbritannien, Homing Hawks aus
Israel. Seit die Karpag ihre Frachterflotte um ein Dutzend
Golf-Tanker erweitert hatte, waren ihre Aktien um elf Punkte
gestiegen.
    »Recht so«, sagte Katsakos.
    »Recht so«, wiederholte Neil.
    Eine verflucht haarige Sache war sie, diese Aufgabe, mit hoher
Fahrt zwischen den Eisbergen und -schollen der Norwegischen See
hindurchzumanövrieren. Trotz seines Rangs als Zweiter Offizier
hinterließ Katsakos nicht den Eindruck eines allzu gewitzten
oder erfahrenen Seemanns (am Vortag hatte er das Schiff um gut und
gerne 28 km vom Kurs abgebracht, ehe er den Fehler bemerkte), und
Neil hatte zu ihm hinsichtlich der Führung des Tankers wenig
Vertrauen. Inständig wünschte sich Neil, daß der
Kapitän der Maracaibo sich auf der Brücke einfand
und das Kommando übernahm.
    »Backbord fünf.«
    »Backbord fünf.«
    Aber der Kapitän zeigte sich nie auf der Brücke –
und auch sonst nirgendwo an Bord. Wie der nichtstoffliche Gott, dem
Neil während der selbstgewählten Einsamkeit auf der
Van-Horne-Insel dann doch nicht begegnet war, blieb er fern und
unnahbar. Gelegentlich bezweifelte er, daß die Maracaibo überhaupt einen Schiffer hatte.
    An den ersten drei Tagen war Neils Selbstbestrafung erfolgreich
verlaufen. Die Sonne hatte angemessen fürchterliche Hitze vom
Himmel herabgeglüht, er litt Hunger in verdienter Stärke,
sein Durst war angebracht entsetzlich gewesen (nur alle vier Stunden
hatte er sich ein Becherchen Tau einverleibt). Er kauerte wie ein
irrer, ausgestoßener, spirituell ambitionierter Geier auf dem
versteinerten Feigenbaum und warb um die Beachtung des Universums.
»Du bist Moses erschienen!« hatte er in den Nebel geheult,
bis seine Zunge so ausgedörrt war, daß sich jedes Wort wie
ein Wetzstein anfühlte. »Du bist Hiob erschienen! Nun
erscheine auch mir!«
    Als er aufs Meer hinausblickte, hatte Neil zu seiner Entgeisterung
einen schwerbeladenen Golf-Tanker gesehen, der in derselben Bucht,
aus der kurz zuvor die Valparaíso ausgelaufen war, vor
Anker lag. Eine Stunde später war am Fuß des Baums ein
Falstaff-Typ mit schlechtem Teint aufgekreuzt, umwoben von den ewigen
Nebelschwaden der Insel.
    »Wer sind denn Sie?« hatte sich der Fremde mit
wohlklingendem italienischen Akzent erkundigt. Ockerfarbener Sand
pappte an seiner Soutane, machte den Glanz der schimmernd roten Seide
stumpf.
    »Vollmatrose Weisinger von der Handelsmarine der Vereinigten
Staaten«, hatte Neil in der festen Überzeugung gemurmelt,
gleich in Ohnmacht zu sinken.
    »Ich bin Kardinal Tullio di Luca vom Vatikan. Sie dürfen
mich mit ›Eminenz‹ anreden. Gehören Sie zur Karpag
Valparaíso?«
    »Nicht mehr.« Neil erlitt einen Schwindelanfall. Er
sorgte sich, er könnte vom Baum stürzen. »Ich bin hier
gestrandet, Eminenz. Als ich die Valparaíso das letzte
Mal gesehen habe, hat sie Kurs aufs Polarmeer genommen.«
    »Komisch. Ihrem Kapitän ist die Anweisung zugegangen, zu
dieser Insel zurückzukehren. Anscheinend folgt er seinem eigenen
Stern.«
    »Offensichtlich.«
    »Hat van Horne Sie hier ausgesetzt?«
    »Ich bin aus freien Stücken auf der Insel
geblieben.«
    »So?«
    »Um Gott zu finden«, erklärte Neil. Die Krater in
Kardinal di Lucas Gesicht erinnerten an ein Ausmalbild für
Kinder, auf dem Punkte durch Striche verbunden werden mußten.
Welches Sternbild mochte sich zeigen, wenn man Linien von einer zur
anderen Pockennarbe zog? Ophiuchus, vermutete Neil:
Schlangenträger. »Den Gott jenseits Gottes. Den Gott der
Vieruhrwache. En Sof.«
    »Sie sind der Meinung, Gott wäre in einem Baum zu
finden?«
    »Moses ist ihm in einem Dornbusch begegnet,
Eminenz.«
    »Möchten Sie eine Heuer, Vollmatrose
Weisinger?«
    »Ich möchte Gott schauen.«
    »Schön, ja, aber sind Sie an einer Heuer interessiert?
Die Maracaibo mußte auslaufen, bevor wir Zeit zum
Zusammenstellen einer optimalen Besatzung hatten. Ich kann Ihnen
einen Steuermannsposten anbieten.«
    Hunger zerfraß Neils Magen. Seine Gurgel schrie nach Wasser.
Er hielt es für möglich, daß es nur noch wenige
Stunden dieser Leiden erforderte, um das Geäst mit En Sof zu entflammen.
    Allerdings…
    »Die Besatzung der Maracaibo glaubt«, sagte di
Luca, »van Hornes Schleppgut wäre eine Filmrequisite, und
der Heilige Stuhl hätte die Absicht, die Fertigstellung des
Films zu verhindern. Schließen Sie sich uns an, Mr. Weisinger.
Anderthalbfache Heuer für