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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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hinzufliegen.«
    »So was ist nicht mein Fall«, gestand Barclay Cabot.
    »Ach, Sie müssen sich das einfach angucken«,
meinte Pembroke.
    »Marx hat sich aus Schlachtengetümmel nichts
gemacht«, versicherte Winston Hawke. »Mir liegt da auch
nicht viel dran.«
    »Und Sie, Mr. Shostak?«
    Der Präsident der Philosophischen Liga für moderne
Aufklärung e. V. holte das mit seinem Monogramm
geschmückte Leinentaschentuch hervor und wischte sich den
Schweiß von der Stirn. Mit etwas gutem Willen hätte er es
sicherlich geschafft, sich ein derartiges Vorhaben auszureden, indem
er sich ausmalte, Erdbeere 11 könnte einen Eisberg rammen oder
von einer verirrten Sprengbombe getroffen werden. Aber die Wahrheit
lief letzthin doch auf folgendes hinaus: Er wünschte sich die
Möglichkeit, Cassandra zu erzählen, daß er dabei
gewesen war, an Ort und Stelle, Augenzeuge, als die Leiche aller
Leichen im Grönländischen Becken absoff.
    »Im Leben würde ich mir das nicht entgehen
lassen.«
    Am folgenden Morgen um 6 Uhr drängten sich Spruances Piloten
und Bordfunker im verqualmten, stickigen Lagebesprechungssaal des
Flugzeugträgers.
    Oliver fühlte sich auf Anhieb an die episkopalkirchlichen
Gottesdienste erinnert, in die ihn seine Eltern daheim in Bala
Cynwyd, Pennsylvania, regelmäßig mitgeschleppt hatten: Es
herrschten das gleiche bedeutungsschwere Schweigen, eine gleichartige
unruhige Andacht, die gleiche Stimmung der Menschen, die sich darauf
vorbereiteten, sich Angelegenheiten über Leben und Tod
verklickern zu lassen. Alle einhundertzweiunddreißig
Militärdrama-Aktivisten saßen in starrer Aufmerksamkeit
da, die Fallschirmpacken auf dem Schoß, als wären es
Gesangbücher.
    Den Rücken gerade wie ein Ladestock, die Backen vor Erregung
gebläht, steckte der Spruance-Darsteller die Bruyerepfeife in
den Mund, erstieg das Rednerpult und ruckte an einer Zugschnur, so
daß sich eine aus der Vogelperspektive handgezeichnete
Abbildung des Gottesleichnams entfaltete (visualisiert mit
asiatischgeheimnisvollem Schmunzeln). »Das ist unser
Angriffsziel, Männer – der hinterhältige
fernöstliche Golem, Tarnname ›Akagi‹.« Man hatte
den Corpus Dei mit gespreizten Gliedmaßen gemalt, einer
Haltung, die man von da Vincis berühmter, für die
Proportionslehre gezeichneter Männergestalt kannte.
»Admiral Nimitz’ Strategie sieht eine Abfolge
zusammengefaßter Luftangriffe gegen zwei verschiedene Ziele
vor.« Konteradmiral Spruance nahm einen Zeigestock aus der
Kreideschale und stach damit auf den Adamsapfel der Gestalt.
»Torpedobomberstaffel Sechs konzentriert die Anstrengungen auf
Ziel A, nämlich diese Zone da, den Bereich zwischen dem zweiten
und dritten Halswirbel, in dem es einen Riß zu verursachen
gilt, der von der Oberhaut bis in die Kehle reicht. Wenn unsere
Berechnungen stimmen, dringt dann Wasser in ›Akagi‹ ein und
fließt in größeren Mengen durch die Luftröhre
in die Lungen. Gleichzeitig belegt Marine-Kampfbomberstaffel Sechs
die Magengegend mit Bomben, um die hier sichtbare Vertiefung –
Ziel B, den Nabel – planmäßig zu erweitern, bis die
Bauchhöhle aufplatzt.« Indem er den Zeigestock wie eine
Reitpeitsche unter den Arm klemmte, wandte sich Spruance an den
Geschwaderkommandeur. »Wir greifen in wechselweisen Wellen an.
Oberstleutnant McClusky, Sie teilen für diesen Zweck jede
Staffel in zwei Pulks auf. Während der eine Pulk sich über
dem zugewiesenen Ziel befindet, wird der andere hier bei Mutter Gans
betankt und aufmunitioniert. Hat jemand Fragen?«
    Leutnant Lance Sharp, ein schmerbäuchiger, angekahlter Mann
mit einem undeutlichen Querstreifen bräunlichen Schnurrbarts auf
der Oberlippe, streckte die Hand empor. »Mit welcher Art der
Gegenwehr haben wir zu rechnen?«
    »Das PBY-Flugboot hat völlige Abwesenheit von Jagdschutz
und Flakartillerie sowohl auf der Valparaíso wie auch
dem Golem selbst gemeldet. Wir wollen aber nicht vergessen, wer
dieses Ungetüm ausgebrütet hat. Ich gehe davon aus,
daß der Feind zur Abwehr Jäger einsetzt,
schätzungsweise zwischen zwanzig und dreißig Zero- Jagdflugzeuge.«
    Major E. E. Lindsey, ein steif-verkrampfter Virginier, der
verblüffende Ähnlichkeit mit Richard Widmark hatte, ergriff
als nächster das Wort. »Ist wirklich mit feindlichem
Jagdschutz zu rechnen?«
    »So etwas gehört zur grundlegenden Taktik, um Angriffe
auf Flugzeugträger zurückzuschlagen, Mister.«
    »Aber haben wir tatsächlich gegnerische
Jäger zu erwarten, Sir?«
    »Am vierten

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