Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
klarer Nacht kann ich direkt aus
Wien ’n Mozart-Konzert und das Hochamt aus Rom empfangen, den
CB-Funk von Neonazis aus Berlin belauschen oder mir dieses
unglaublich verschärfte Fortsetzungshörspiel aus Frankreich
anhören. Es ist möglich, alles nach unten in die
Besatzungsquartiere zu übertragen, aber wissen Sie, was die
Leute wirklich hören möchten? Baseball aus den
Vereinigten Staaten. Verschwendeter Aufwand. Wenn ich noch ein
einziges Rote-Socken-Spiel mithöre, muß ich kotzen.«
Als nächstes legte Lianne Bliss, bis zu den Ohren vom
Satellitenzeitalter-Trara umgeben, einen schlichten Bleistift an die
Lippen und leckte an der Graphitspitze. »Also, was schicken wir
der Western Union?«
    Cassie schloß die Lider, stellte sich bildlich ihre Mutter
vor: Rebecca Fowler aus Hollis (New Hampshire), ein frohsinniges
Kraftbündel von Unitarier-Pastorin, deren Skeptizismus so weit
reichte, daß er sogar ihre eigene Gemeinde erschreckte, MUTTER STOP BEAGLE II IM HURRIKAN GESUNKEN STOP BIN EINZIGE
ÜBERLEBENDE STOP BITTE RICHTE OLIVER AUS… Ihre
Gedanken schweiften ab. Auftrag, hatte van Horne gesagt. Er
führte ein Schiff mit einem besonderen Auftrag – und
der Art und Weise zufolge, wie Pater Thomas daherredete, mußte
dieser Auftrag geradezu missionarischen Charakter haben und die
bedeutsamste Pfaffenchose sein, seit Saulus aus Taurus einen
epileptischen Anfall hatte und als Bekehrung mißverstand.
»Ich vermute, Sie sind auf keiner regulären
Fahrt?«
    Lianne fummelte an dem GEBÄRMUTTERNEID-Button. »Es ist
’n regelrechtes Geheim unternehmen, Cassie. Vor Gabun ist
durch ausgelaufenes Öl ’n riesenhafter Teerklumpen
entstanden, und wir sollen ihn schleunigst beseitigen, ehe die Karpag in den Medien zusammengeschissen wird. Offenbar
ist’s so, daß die Heilige Mutter Kirche zu schweigen
versprochen hat, wenn die Karpag den Teer verarbeitet und das
Öl Wohltätigkeitszwecken zuleitet. Ich persönlich bin
der Ansicht, die Sache stinkt zum Himmel, aber ’s wäre ja
nicht das erste Mal, daß der Vatikan mit dem Teufel
schachert.«
    »Ich bin ordentliches Mitglied des New Yorker eingetragenen
Vereins Philosophische Liga für moderne Aufklärung«,
antwortete Cassie mit vielsagendem Nicken, als verstünde es sich
von selbst, daß ein ordentliches Mitglied des New Yorker
eingetragenen Vereins Philosophische Liga für moderne
Aufklärung e. V. über die Verworfenheit der
Päpste keiner Belehrung bedurfte. »Eine kleine, aber
wichtige Organisation. Ein wahres Bollwerk gegen…« Sie wies
auf Liannes Umhänger. »Aber unsere Meinung über diese
Dinger würden Sie sicher verstimmen.«
    »Über kleine Titten?«
    »Magische Kristalle.«
    »Ich bin dadurch meinen Herpes losgeworden.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Sehen Sie eine einleuchtendere Ursache?«
    »Den Placebo-Effekt.«
    »Glauben Sie denn an überhaupt irgend etwas,
Cassie?«
    »An Desillusionierung.«
    »Sie sollten mehr Zeit auf Schiffen zubringen. Wenn Sie sich
ganz vorn an den Bug stellen, das Meer rauscht und sich über
Ihrem Kopf das gesamte Scheißuniversum ausbreitet… Ja,
dann wissen Sie einfach, daß es oben irgendein ewiges
Wesen geben muß.«
    »Einen alten Rauschebart?«
    »Liebchen, in meinen zehn Jahren auf See ist mir eines
einsichtig geworden. Es ist ratsam, den lieben Gott nie mit dem
Kapitän zu verwechseln.«
     
    12. Juli
    Vor zwei Tagen sind wir an unseren Zielkoordinaten angelangt: 0
Grad 0 Minuten nördlicher Breite, 0 Grad 0 Minuten
östlicher Länge. Weit und breit ist nichts gesichtet
worden, und genau das hätte ich mir denken sollen, Rafael hatte
ja erwähnt, daß der Leichnam treibt. Trotzdem war es
irgendwie meine Hoffnung, glaube ich, daß wir hier etwas
finden.
    Unser Suchkurs besteht aus einer Spirale, die wir aus geraden
Linien und rechten Winkeln ziehen: hin und zurück, hinauf und
hinab. Und währenddessen nähern wir uns allmählich
Afrika. Wir knüpfen ein Netz auf dem Meer, Popeye. Mit
großen Maschen. Aber wir sind ja auch hinter einem großen
Fang her.
    Diese Biologin haßt mich, ich merke es. Ohne Zweifel ist sie
eine von denen, die Bäume anbeten, Bäche verehren
und Frösche küssen. Solche Menschen rieche ich von weitem.
Für sie gehört ein Umweltverschmutzer gerädert und
gevierteilt. Aber eines muß ich ihr lassen, sie ist eine
faszinierende Frau, so wie die gute, alte Lorelei auf meinem Arm an
den richtigen Stellen rund, und sie hat eines dieser länglichen
Pferdegesichter, die mal komisch, mal schön

Weitere Kostenlose Bücher