Das Gottesmahl
aussehen. Ich habe
beschlossen, ihr Arbeit zuzuteilen, Rostabkratzen und Streichen, und
gelegentlich soll sie auch mal den Lokus schrubben. Auf der Karpag
Valparaíso gibt es keine Freifahrten.
O’Connor sorgt immer noch dafür, daß wir 18 Knoten
machen, und das heißt, daß wir den Äquator vor
Mitternacht noch zweimal kreuzen. Wir sind wie die Nähnadel
eines Chirurgen, Popeye, wir flicken der Erde den dicken Bauch
zu.
Beim Abendessen habe ich den Dauerbefehl erteilt, mich sofort zu
verständigen, bei Tag oder Nacht, wenn etwas Ungewöhnliches
gesichtet wird. »So eine Aufregung«, bemerkte O’Connor
dazu mit mehr als einer Andeutung des Argwohns in der Stimme,
»bloß wegen eines elenden Klumpens Teer.«
Wir sind kein glückliches Schiff, Popeye. Inzwischen ist bei
der Besatzung Überdruß zu beobachten. Sie hat es satt, im
Kreis zu dampfen, sich Die Zehn Gebote anzugucken und zu
fragen, was ich ihnen verschweige.
Bei jeder Überquerung des Äquators wirft Marbles
Rafferty einen Penny ins Meer.
»Damit wir Glück haben«, sagt er jedesmal.
»Wir können’s gebrauchen«, antworte ich
darauf.
»Kapitän, da ist was Merkwürdiges…«
Anthony erkannte die Stimme des Navigators, die aus der
Sprechanlage knisterte; seine Stimme und noch etwas – genau die
Mischung aus Ungläubigkeit und Furcht im Ton, mit der Erster
Offizier Buzzy Longchamps an dem Abend, als die Valparaíso aufs Bolivar-Riff lief, die Situation zusammengefaßt hatte: Käpten, wir stecken da ein Stück weit in der
Scheiße!
Er wälzte sich zur an die Wand montierten Sprechanlage,
zerrte die Decke beiseite, kämpfte sich aus der Benommenheit des
Schlafs empor, drückte die Taste. »Was
Merkwürdiges?« nuschelte er.
»Tut mir leid, Sie zu wecken«, sagte Joe Spicer,
»aber wir haben was im Radar.«
Anthony stieg aus der Koje, klaubte sich ein winzigkleines
Körnchen aus dem Augenwinkel, rollte es zwischen Daumen und
Zeigefinger, linste nach den Schuhen umher. Ansonsten war er voll
bekleidet, hatte sogar die blaue Vinyl-Windjacke an und die Godzilla- Baseballmütze auf. Seit Erreichen der
Null-null-Koordinaten hatte er alles Unwesentliche aus seinem Leben
gestrichen, er schlief in den Klamotten, ließ den Bart wachsen,
lieferte die Zähne der Gefährdung durch Belag aus. Seit
zweiundsiebzig Stunden beherrschte ausschließlich die Suche
sein Dasein.
Er nahm den Exxon- Trinkbecher, schob die knotigen
Füße in die Tennisschuhe und lief, ohne vorher die Senkel
zuzuschnüren, zum Lift.
Weicher Lichterglanz erfüllte die Brücke: Radarschirme,
Konsolenbeleuchtung, Marisat-Terminal, Borduhr. Es war 2 Uhr 47.
Spicer stand, das Gesicht in grüne Helligkeit getaucht,
übers Zwölfmeilenradar gebeugt. »Sir, ich habe fast
sämtliche Pressekonferenzen George Bushs gesehen, so gut wie
alle Folgen von Akte X und die Laserdisc-Fassung von Die
Sadisten des Sexten Reiches, die ich mir von meinem Bruder leihen
mußte, aber ich schwöre Ihnen« – er deutete auf
das Radarecho –, »das ist das Absonderlichste, was mir
’ne Kathodenstrahlröhre je gezeigt hat.«
»Vielleicht eine Nebelbank?«
»Bei fünfzig Seemeilen Abstand hat’s noch so
gewirkt, aber jetzt nicht mehr. Das Ding hat Masse.«
»Oder Sao Tome?«
»Ich habe unsere Position dreimal überprüft. Sao
Tome liegt fünfzehn Meilen weiter östlich. Es kann auch
nicht der Teerklumpen sein. Dafür ist’s viel zu
groß.«
»Dann ist’s nicht der Teer.« Anthonys
Handflächen wurden feucht. An seinem Rückgrat schien ein
Einsiedlerkrebs entlangzukrabbeln. »Recht so«, wies er den
Vollmatrosen am Steuerrad an, den stämmigen Sioux-Indianer
namens James Schreiender Falke.
»Recht so.«
Anthony senkte die müden Augen auf den Monitor. Auf dem
Bildschirm gab es ein langes, unregelmäßig geformtes
Objekt zu sehen, folgenschwer wie ein Schatten auf einem
Röntgenbild. Verschwommen, unbestimmt; und doch wußte er
genau, wessen elektronisch wiedergegebenes Bild er sah.
»Tja, was ist es denn nun?« fragte Spicer.
»Sie würden mir sowieso nicht glauben.« Anthony
packte die Hebel am Pult und verringerte die Umdrehungszahl beider
Schrauben auf 90 rpm. Er hatte sein Schiff nicht oberhalb der
empfohlenen Fahrtgeschwindigkeit quer durch den Hurrikan Beatrice
gejagt, um danach mit der vorgesehenen Fracht zu kollidieren und sie
zu versenken. »Ich übernehme die restliche Wache für
Sie, Joe. Gönnen Sie sich ’n bißchen
Schlaf.«
Der Zweite Offizier blickte dem Kapitän in die
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