Das Gottesmahl
Enterprise morste die Antwort: W-I-R-K-O-M-M-E-N.
Die Atheisten kraxelten die Klippe hinab, bewältigten einen
gefährlichen Abstieg über schlüpfriges Moosgewucher,
schartiges Bimsgestein und durch tückisches Dornengestrüpp,
das ihnen die Eskimostiefel aufriß und die
Fußknöchel blutigkratzte. Sie erreichten das Ufer zur
gleichen Zeit wie die Barkasse des Flugzeugträgers, ein
hölzernes Innenbord-Motorboot mit Segeltuchdach überm
Steuerrad und einer Flagge, die – historisch korrekt –
lediglich achtundvierzig Sterne aufwies. Auf dem Bug hockte in einer
Memphis-Belle-Bomberjacke Sidney Pembroke und winkte mit der von
einem Fäustling umhüllten Hand.
»Willkommen in Point Luck.« Kondensierter Atem quoll aus
Pembrokes Mund. Obwohl die arktische Luft ihm die Wangen rötete,
sah er unverändert blutarm aus. »Hüpft an Bord,
Männer!«
»Auf der Enterprise gibt’s massig
brühheiße Campbell-Tomatensuppe«, rief hinterm
Steuerrad der ähnlich anämische Albert Flume.
»Mmm-mmm, lecker.« Er hatte seinen Sakko-Anzug gegen
Partisanen-Look ausgewechselt: blauer Rollkragenpullover, schwarzer
Speckdeckel, Lammfellweste, ganz wie Anthony Quinn in Die Kanonen
von Navarone.
Flume legte einen Kalbsleder-Artilleristenhandschuh um und
schaltete den Motor in den Leerlauf. Neben ihm stand ein Mann mit
Wanst und kantigem Kinn, verkörperte in der schlichten
Khaki-Uniform der US-Kriegsflotte regelrecht ideal den Typus des
amerikanischen Offiziers, der gerade mit einer Hand des Zweiten
Weltkrieg gewann. Admiralssterne zierten seine Schultern.
Oliver watete ins flache Ufergewässer, zuckte zusammen, als
das eisige Naß durch die Risse der Eskimostiefeln drang, und
klomm, unmittelbar gefolgt von Barclay Cabot und Winston Hawke,
übers Heckwerk in die Barkasse. Der Marineoffizier kam, eine
kalte Bruyerepfeife zwischen den Lippen, unterm Segeltuchdach hervor
und empfing sie mit einem Schmunzeln.
»Sie sind Mr. Shostak, nehme ich an«,
begrüßte der Admiral sie, nervte Oliver mit einem
überaus energischen Händedruck. »Spruance mein Name,
Raymond Spruance. Mein Leben lang habe ich die Gummimarke Ihres
Vaters benutzt. Menschenskind, diese AIDS-Seuche muß wohl
für Ihren Familienbetrieb einen richtigen Boom zur Folge gehabt
haben, was? Ansonsten ist das ja ’ne Gegebenheit, die nichts
Gutes bringt.«
Oliver verzog das Gesicht. »Das sind meine Freunde«,
stellte er seine Begleiter vor. »Barclay Cabot, Winston
Hawke.«
»Ist mir ein großes Vergnügen, Leute.«
»Wie heißen Sie wirklich?« erkundigte sich Hawke,
wobei er sich mühsam ein Feixen verkniff.
»Ist doch egal, Mr. Hawke. Für die kommenden zwei Wochen
bin ich Admiral Raymond A. Spruance, Konteradmiral der US-Marine, und
mit der taktischen Durchführung der Operation betraut.«
»Ergänzend zur strategischen Seite?« fragte Oliver.
Allmählich durchschaute er, in welchen Bahnen diese Sorte von
Idioten dachte.
»Haargenau. Die Strategie ist Sache von Admiral Nimitz in
Pearl Harbor.«
»Und wo steckt Nimitz in Wahrheit?«
»In New York«, teilte Flume ihm mit.
»Ihm zahlen wir doch nichts, oder?« wollte Oliver
wissen.
»Natürlich bezahlen wir ihn.« Flume schaltete den
Motor in den Gang und steuerte die Barkasse vom Ufer fort.
»Warum bezahlen wir ihn, obwohl er nichts leistet?«
»Er tut etwas fürs Geld.«
»Und was?«
»Raymond hat’s eben gesagt, er befaßt sich mit der
Strategie.«
»Aber die Strategie kennen wir doch schon
längst.«
»Hört zu, Jungs«, brummte der Spruance-Darsteller,
nahm ruckartig die Pfeife aus dem Mund, »könnte ich nicht
in der Vorstellung agieren, daß der alte Haudegen Nimitz in
Pearl Harbor sitzt und unsere Strategie plant, hätte ich keinen
Mumm, um die Sache hier durchzuziehen.«
»Er sitzt aber doch gar nicht in Pearl Harbor«,
erwiderte Oliver. »Er ist in New York.«
»Wenn Sie’s wünschen, schicken wir ihn nach Pearl
Harbor«, versicherte Flume, »es würde aber ’n
paar Kröten kosten.«
Oliver biß die Zähne zusammen und hielt den Mund.
»Wissen Sie, ich hatte von der Maxime des wehrhaften Kapitals
keinen blassen Schimmer, bis mir Sidney und Albert davon erzählt
haben« – verstohlen-verschwörerisch zwinkerte Spruance
den Atheisten zu –, »aber ich muß gestehen, ich
find’s beeindruckend.«
»Manche Leute denken, wir hätten nicht alle auf ’m
Ladestreifen«, sagte Winston Hawke, »aber das kann uns
nicht davon abschrecken, unsere patriotische Pflicht zu
tun.«
»Na, also mich
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