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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Amphitheater genommenen Weg – dem Pfad ihrer
Verschwendung –, lasen jede Apfelsinen- und Bananenschale auf,
als wären sie unbezahlbare Köstlichkeiten.
    Beim Betreten der Arena verdutzte es Neil im ersten Moment,
nirgendwo Wheatstones, Jaworskis und Spicers Leichen zu sehen,
bemerkte dann jedoch in der Mitte einen Schlammhügel, ein
Anzeichen, dafür, daß irgend jemand – wahrscheinlich
Pater Thomas – sie bestattet hatte. Aus dem Grab drang ein
dermaßen ekelerregender Gestank, daß er augenblicklich
jede Erwägung verscheuchte, vielleicht ließe sich der
drohende Ernährungsnotstand durch den Verzehr der verewigten
Bordkameraden aufschieben.
    Um 15 Uhr 30 trafen sich die Heiden in der Stadt wieder und
schauten sich die Ausbeute des Tages an. Insgesamt wog sie
fünfzehn Kilo. Haycox trennte sie in zwei gleich große
Haufen, von dem sie einen sofort in einen Seesack packte – als
Köder für den Fischfang, erklärte sie – und den
zweiten umgehend verteilte. Gierig nahm Neil seinen Anteil entgegen,
ein von Türkischem Honig und geschmolzenem Cheddarkäse
zusammengehaltenes Durcheinander aus Apfelgehäusen, Wurstzipfeln
und kalifornischen Trauben. Sobald er sich in den Schatten der
Festtafel gehockt hatte, zündete er eine Marlboro an und paffte
vor sich hin.
    Er betrachtete seine Mahlzeit. Ein scharfes Stöhnen drang aus
seiner Kehle. Das war kein Essen. Ein Hohn auf jede Nahrung war es,
die grausame Vorspiegelung eines Gerichts, die ihn quälte wie
Eltern die Stimme ihres toten Kinds.
    Mit vier großen Bissen verschlang er die Ration.
    »Ich habe Arbeit für dich.«
    Neil hob den Blick. Neben ihm stand, die stämmige Gestalt
jetzt in einen beigen Exxon- Overall gehüllt, Dolores
Haycox.
    »Wir brauchen Schwimmer für das Floß«, sagte
sie und reichte Neil mehrere batteriebetriebene Heimwerkermaschinen.
»Vier Stück.«
    »Aye-aye.«
    »Nimm Mungo, Jong und Schreiender Falke mit. Sucht
Zweihundertfünfzigliterfässer zusammen. Gut erhaltene
Tonnen. Leert sie aus.«
    Neil zog an der Marlboro. »Verstanden.«
    »Wir kommen bestimmt noch aus diesem Schlamassel raus,
Weisinger.«
    »Klarer Fall, Kapitänin Haycox.«
    Nach einem halbstündigen Marsch durch eine morastige, mit
Sprühdosen und Wegwerfwindeln übersäte Ebene gelangten
Neil und seine drei Kollegen zur nächstgelegenen Chemiedeponie,
einem schwärzlich-zähflüssigen Sumpf, in dem Dutzende
von 250-l-Fässern wie Ananas in Weingelee schwammen. Die
Mehrzahl der Behälter war undicht und leckte, aber nach einer
Weile entdeckte Mungo mehrere Tonnen, die die Entsorger –
entweder sicherheitshalber oder um ihr Gewissen zu beruhigen –
offenbar mit einem Schutzüberzug gegen Salzwasser umschlossen
hatten. Die Seeleute schalteten die Heimwerkermaschinen ein und
gingen an die Arbeit, schliffen mit der radikalen Vorsicht von
Neurochirurgen, die im Gehirn die Stirnlappen durchtrennen, den Rost
von den Verschlüssen: Jeder Verschluß mußte
gelockert werden, durfte dabei jedoch keinen Schaden erleiden.
    Während Neil an seinem Faß die Verschlußkappe
freilegte, erschienen ihm vor Augen zwei beunruhigende Bilder.
    Leo Zook beim Ersticken.
    Joe Spicer beim Verbluten.
    Neil bot sämtliche inneren Heidenkräfte auf, alle Macht
des Anno Postdomini Eins, und verdrängte den zudringlichen
Anblick aus seinem Geist.
    Er öffnete die Tonne, kippte sie auf die Seite und sah voller
schauriger Faszination etwas herausfließen, das schwarzem
Schleim ähnelte und wie brennender Schwefel roch. Danach
schraubte er das Faß wieder fest zu. Binnen weniger Minuten
leerten auch Mungo, Jong und Schreiender Falke ihr jeweiliges
Faß: ein plötzlicher Schwall stinkiger, gelber Brühe,
ein gleichmäßiger Strahl fauligen, braunen Sirups, ein
langsames Hervorsickern ätzend-scharfer, bläulicher
Jauche.
    Wie Sisyphus seinen Stein wälzte Neil, gefolgt von den
Leidensgefährten, das Faß durch die Morastebene, und gegen
Sonnenuntergang hatten sie alle vier zu Schwimmern bestimmten Tonnen
wohlbehalten in die Stadt befördert.
    Am frühen Morgen standen die Deserteure auf, schleppten die
Festtafel an den Strand und banden die Schwimmer mit vom
nächsten Autofriedhof besorgten Draht und Treibriemen darunter
an. Um 8 Uhr war das auf den Namen Füllhorn getaufte
Fahrzeug bereit, um in See zu stechen. Kapitänin Haycox stellte
sich an den Bug, direkt neben die Trinkwasserflaschen. Schreiender
Falke, zum Ersten Offizier ernannt, faßte das Steuerruder.
Ramsey und Horrocks kauerten sich

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