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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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der Saison«, brummelte Neil. Mensch,
wie herrlich war es doch, Heide zu sein. Alle Entscheidungen fielen
so leicht. Wodka, Rum oder Bier? Schnut, Arsch oder Möse?
    »Mir ist, als hätte wer mit meinem Kopp Fußball
gespielt«, sagte der Pumpenmann.
    »Und mir, als hätte jemand mit meinen Klöten
Billard gespielt«, antwortete Neil. Offensichtlich war die Orgie
vorbei, aber ob aus dem Grund, daß auch Heiden irgendwann der
Ausschweifungen müde wurden, oder weil die Party
gewissermaßen keinen Brennstoff (kein Bier im Faß, keine
Suppe im Kessel, kein Brot im Korb, keinen Samen in den Hoden) mehr
hatte, durchschaute der Vollmatrose vorerst nicht. »Was
gibt’s zum Frühstück?«
    »Keine Ahnung.«
    Unter der Westarkade knurrte ein dicker, hohler Bauch. Ein zweiter
Magen stimmte in das Gerumpel ein. Gleich darauf schloß sich
ein drittes Verdauungsorgan an. Ein wahrer Choral des Magengrummelns
tönte durch die Ruine, als wäre sie ein Gebäude mit
kaputten Abflußrohren. Während Neil benommen zur Festtafel
wankte, merkte er plötzlich, wie verkrustet er war, was für
eine Vielfalt von getrockneten Substanzen auf seiner Haut klebte, ihm
die Haare verfilzte. Er fühlte sich wie ein Auswuchs der Insel,
eine Abfallverklumpung.
    »Ich könnte ’ne Kuh auffressen«, gestand
Juanita Torres und streifte sich ein Damenhemd aus Seide
über.
    »Eine Herde Kühe«, meinte Ralph Mungo. »Eine
ganze Generation von Kühen.«
    Doch auf der Van-Horne-Insel gab es keine Rinder.
    »Tja, es sieht so aus, als stünden wir vor einem
Problem«, sagte Dolores Haycox, jetzt Ranghöchste der
Abtrünnigen, seit Joe Spicer mit einem Patentanker aufgeschlitzt
worden war; sie sprach merklich unsicher, als wüßte sie
nicht, ob sie das Kommando übernehmen oder lieber darauf
verzichten sollte. Falls sie sich dazu entschloß,
überlegte Neil, empfahl es sich für sie, ein paar Klamotten
anzuziehen. »Ich glaube«, nuschelte die Dritte Offizierin,
»wir müssen… äh… Ja, ich glaube
nämlich, wir müssen uns darüber mal ausführlich
unterhalten.«
    Eine Trinkwasserfrage, darin waren sich alle einig, stellte sich
nicht: Dank des allgegenwärtigen Dauernebels schlug sich in den
diversen Zisternen und den Gossen der Stadt ständig literweise
Nässe nieder. Anders stand es um feste Nahrung. Selbst bei
strenger Rationierung waren wahrscheinlich nicht genügend
Lebensmittel übrig, um den Hunger länger als für einen
Tag zu stillen.
    »Herrje«, stöhnte Mungo, »ich komme mir…
völlig bescheuert vor.«
    »Wir waren echt doof, doof, doof«, gab Torres ihm
recht.
    »Blöd wie Ochsen«, sagte Ramsey.
    »Wenn wir nur Vergangenes bejammern«, wandte Haycox ein,
und schlang einen verschlissenen Segeltuchseesack um die Taille,
»werden wir bloß verrückt.«
    Ramsey regte an, unverzüglich die Insel rundum zu erkunden.
Trotz der ersichtlichen Leblosigkeit, spekulierte er, könnten
sich angeschwemmte Krustentiere oder eine eßbare Sorte
Riementang finden lassen. Allerdings hatten die Orgiasten
längste zu viele Quadratkilometer toten Schlicks und öden
Sands gesehen, als daß sie für seine Idee empfänglich
gewesen wären.
    Horrocks schlug vor, zur Valparaíso zu gehen und
einen Teil der Vorräte zu erbitten, die sie beim Plündern
des Schiffs übersehen haben mochten. Der Vorschlag klang
verheißungsvoll, bis James Schreiender Falke darauf hinwies,
daß die Anbordgebliebenen, falls tatsächlich Vorratsreste
existierten, wenig Anlaß hatten, ihnen davon
großmütig etwas abzugeben.
    Ausschließlich Haycox verstand realistische Hoffnung zu
bieten. Sie sollten, war ihr Einfall, aus der Festtafel ein
Floß bauen und darauf ein paar Leute nach Osten schicken.
Sobald sie die Zivilisation erreichten –
höchstwahrscheinlich Portugal, obwohl Marokko näher lag
–, konnten sie die Behörden aufsuchen und die Entsendung
eines Schiffs zur Rettung der Gestrandeten in die Wege leiten. Erwies
das Floß sich als für eine solche Fahrt ungeeignet, blieb
die Alternative, mit unterwegs gefangenen Fischen zur Van-Horne-Insel
umzukehren.
    Auf Haycox’ Geheiß kleideten die Renegaten sich an und
verbrachten den Morgen mit Resteverwertung. Sie schnitten Fett von
Schinkenknochen, pickten matschiges Fruchtfleisch aus
Aprikosenkonserven, schabten Bröckchen Ei aus
Schalenstücken, klaubten Ravioliklümpchen aus Büchsen
und kratzten Pizzakrümel von den Pflastersteinen. Nachdem die
Seeleute den gesamten Veranstaltungsplatz abgesucht hatten, folgten
sie dem zuvor ins

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