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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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zu heben, und die
Saubande ausgesperrt. Die Situation gleicht einer
verrückterweise umgekehrten Belagerung – die
eingeschlossenen Verteidiger haben zu essen, wogegen das Heer der
Belagerer hungert. Ich bin kein grausamer Schinder. Kein Kapitän
Bligh. Aber wenn ich die letzten Nahrungsreserven nicht Rafferty und
meinen weiteren Getreuen vorbehalte, haben sie bald keine Kraft mehr
für die Erkundungsfahrten mit unserem Motorboot, der Juan
Fernández, die zur Zeit unsere letzte, einzige Hoffnung
verkörpern. Bisher fanden alle Fahrten 5 km vom Ufer entfernt
vor sechs, sieben Meter hohen Schwellungen ozeanischer Turbulenzen,
die kein so kleines Wasserfahrzeug durchqueren kann, ein Ende.
Allerdings sind wir uns sicher, innerhalb der schiffbaren Zone Fisch
fangen zu können.
    Am gestrigen Abend habe ich Follingsbee angewiesen, nochmals
Inventur zu machen und dieses Mal alles zu berücksichtigen, was
sich bei großzügigster Auslegung als Nahrungsmittel
einstufen läßt.
    Wir haben zur Verfügung:
     
3 Pfd. Cornichons
2 Pfd. Sultan-Saladin-Sultaninen
3 Tuben Colgate-Zahnpasta
2 Laib Lupinenbrot
1 gr. Dose Bunuelle-Schnittbohnen
1 Glas Thomy-Mayonnaise
1 Topf Göttlicher Wunderschmand
4 Anstaltsfl. Wick-Hustensaft
1 Pfd. Popcorn (Vom Bordkino-Fußboden!)
2 Dosen Campbell-Tomatensuppe
6 Mohrrüben
1 Kopf Broccoli
6 Deutschländer-Würstchen (Am besten nehmen wir die
meisten als Köder.)
607 Hostien
311 Miesmuscheln (Abgeschabt von Ruder und Rumpf – zum
Glück, bevor die Meuterer aufgekreuzt sind.)
76 Entenmuscheln (dto.)
1 Banane
1 Scheibe Du-darfst-Käse (Heben wir für Notfälle
auf.)
     
    Sam hat unsere Rationen für die kommende Woche festgelegt.
Bist du neugierig, Popeye, und möchtest das Menü an Bord
des Luxus-Traumschiffs Valparaíso kennenlernen?
Frühstück: 10 Cornichons, 150 g Tomatensuppe.
Mittagessen: 7 Schnittbohnen, 2 Hostien. Abendmahlzeit: 2
Miesmuscheln, 50 g Brot, 8 Sultaninen. Der Kapitän
erhält dann und wann zusätzlich ein Gläschen
Meskal.
    Heute morgen ist mit heftigen Regenschauern ein Sturm der
Windstärke 12 über die Van-Horne-Insel hinweggefegt. Habe
ich mir davon versprochen, die geballte Naturgewalt könnte
hinreichen, um uns vom Land zu schwemmen? Natürlich. Habe ich
mir erhofft, der Wind würde den Nebel fortwehen? Ich bin auch
nur Mensch, Popeye.
    Die Meuterer haben beschlossen, sich vor künftigem
Schlechtwetter zu schützen. Ihre Behausungen sind lachhafte,
schiefe Bruchbuden, zusammengestoppelt aus Toyota-Wagentüren und
Volvo-Kühlerhauben, sie wölben sich aus dem Sand empor wie
stählerne Iglus.
    »Bitte gebt uns was zu essen«, jammert der
gegenwärtige Sprecher der Meuterer, ein Janmaat namens Barnes,
der nur eine Badehose in grellem Pinkrosa trägt. Vor der
Lebensmittelverknappung ist er anscheinend ein richtiger Fettsack
gewesen. Erschlaffte Haut hängt an seinem Oberkörper wie
zerlaufenes Wachs an einer Kerze.
    »Wir können nichts entbehren«, rufe ich ihm
jedesmal zu.
    »Aber ich hab doch ’n Leben zu verlieren«, winselte
der Kerl einmal. »Ich hab schon manches Gute getan. Haschisch
geschmuggelt, in Borneo für die Wilden gespendet, vier Jungs
gezeugt, mehrmals das Pfarreipicknick organisiert… So elend zu
verrecken, hab ich nicht verdient, Kapitän van Horne.«
    Morgen ist der von OMNIPATER bestimmte Termin, an dem wir den Corpus Dei in den Polarkreis hätten befördern
müssen. Ich sehe es geradezu vor mir, Popeye, wie sein Hirn
zerfällt, Neuronen mit einem plötzlichen, kurzen Aufblitzen
vergehen, als ob auf einer Pressekonferenz der Apokalypse fünf
Milliarden Glühbirnen gleichzeitig durchbrennen.
     
    An den ersten drei Tagen an Bord der Enterprise war es
Olivers bevorzugter Zeitvertreib gewesen, im vorderen Ausguck zu
stehen und Skizzen der vier PBY-Flugboote anzufertigen, wenn sie zu
ihrem täglichen Aufklärungsflug starteten. Auf den flachen
Rumpfunterseiten rauschten die Flugzeuge auf den Fluten
vorwärts, suchten sich einen Weg durchs Packeis, klappten
plötzlich die Schwimmausleger ein und schwingen sich
behäbig zum Aufstieg in die Luft empor, mühten sich wie ein
Schwarm arthritischer Reiher, der aus einem Moor hochflog, hinauf in
die Lüfte.
    Am Ende der Woche hatten die PBY insgesamt dreiundsiebzig
Fernaufklärungsflüge durchgeführt, ohne etwas zu
sichten, das wie ein Supertanker mit einem Golem im Schlepp
ausgesehen hätte.
    »Glaubst du, ein Hurrikan könnte sie vom Kurs abgebracht
haben?« fragte Winston Hawke.
    »Woher, zum Teufel, soll

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