Das Gottesmahl
ich das wissen?« entgegnete
Oliver.
»Wenn der Leichnam verwest, kann es sein, er saugt Meerwasser
auf«, meinte Barclay Cabot. »Ein paar tausend Tonnen
zusätzliches Gewicht, und van Hornes Geschwindigkeit wird
halbiert.«
»Vielleicht liegt technisches Versagen vor«,
überlegte Hawke. »Handelsschiffe werden so gebaut,
daß sie irgendwann zu Bruch gehen. So läuft’s nun mal
im Kapitalismus.«
Für Olivers Begriffe erklärte keine dieser
Mutmaßungen die erhebliche Verspätung der Valparaíso auf hinlänglich Weise. Am Morgen des
22. August suchte er den Ray-Spruance-Darsteller in seiner Kabine auf
und erkundigte sich, ob die Enterprise ein Faxgerät
verfügbar hätte.
»Enterprise, nicht ›die Enterprise‹«, berichtigte ihn der
›Admiral‹, der auf dem Mundstück der Bruyerepfeife
kaute. »Klar haben wir ’n Faxgerät, ein Mitsubishi
Siebentausend.«
»Ich möchte unserer Agentin auf dem Supertanker eine
Nachricht schicken.«
»Seit wann haben wir eine Agentin auf dem Tanker?«
»Das ist eine lange Geschichte. Es ist meine Freundin Cassie
Fowler. Offenbar ist irgend was schiefgegangen.«
»Zum jetzigen Zeitpunkt, Mr. Shostak, wäre jede
Funkverbindung zur Valparaíso ein schwerer Fehler.
Absolute Funkstille war bei Midway eine der entscheidenden
Voraussetzungen für den Sieg der Amerikaner.«
»Auf Midway gebe ich überhaupt nichts. Ich mache mir
Sorgen um meine Freundin.«
»Wenn Ihnen Midway einerlei ist, sind Sie hier auf dem
falschen Schiff.«
»Heiliger Strohsack, müssen Sie und Ihre Freunde denn andauernd in der Vergangenheit leben?«
Sichtlich verstimmt schnitt der Admiral eine böse Miene. Er
saugte am Rotzkocher. »Ja, mein Freund«, antwortet er
schließlich, »wir müssen ständig in der
Vergangenheit leben, und wenn Sie einen Funken Verstand hätten,
täten Sie’s genauso halten.« Mit blitzenden Blicken
ging Spruance in der Kabine auf und ab wie ein Wolf im Käfig,
auf und ab, hin und her. »Ist Ihnen überhaupt bekannt,
daß es mal eine Zeit gab, in der das Dasein in den Vereinigten
Staaten noch einen Sinn hatte? Eine Zeit, als man sich das
Norman-Rockwell-Gemälde eines GI, der für Muttern
Kartoffeln schält, mit Ehrfurcht anschauen konnte, ohne
ausgelacht zu werden? Eine Zeit, als die Maiskuchen in Brooklyn noch
schmeckten, wie’s sich gehört, keine Bimbos in unseren
Städten alles zerballerten und jeder Schultag mit einem Gebet
anfing? All das ist vorbei, Shostak. Herrje noch mal, vor dem eigenen
Essen fürchten sich die Leute heutzutage. In den vierziger
Jahren hat kein Mensch so’n Scheiß Joghurt, Müsli
oder Bachblüten gegessen.«
»Wissen Sie was, Admiral? Wenn Sie mir nicht gestatten, mit
Cassie Fowler Verbindung aufzunehmen, muß ich in Erwägung
ziehen, eine andere Söldnertruppe zu mieten.«
»Verarschen Sie mich nicht. Ich mag Sie, Freundchen, aber ich
werde ungern verarscht.«
»Es ist mein Ernst, Spruance, oder wie Sie heißen,
verdammt noch mal«, schnauzte Oliver, entdeckte bei sich mit
Vergnügen zusätzliche Reserven der Impertinenz.
»Solang ich bezahle, tanzen Sie nach meiner Pfeife.«
Oliver brauchte eine Stunde, um ein Fax zu formulieren, mit dem
sich der Admiral einverstanden erklärte. Die Nachricht
mußte die Frage nach der Position der Valparaíso enthalten, gleichzeitig jedoch so schwammig sein, daß in
dem Fall, wenn sie – wie Spruance es nannte – ›in
feindliche Hände‹ fiel und der Feind den Code knackte (der
Text war mit Häresie verschlüsselt), niemand den
Rückschluß zog, irgendwer könnte die Fracht des
Tankers zum Ziel einer Attacke erwählt haben. »Liebe
Cassandra, Du bist in meinem Herzen die Wertvollste«, schrieb
Oliver, »aber in welcher Kammer du zur Zeit wohnst, kann ich
nicht sagen.«
Um 11 Uhr 15 schob der Funkoffizier der Enterprise, ein
spargeldürrer Latino namens Henry Ramirez, Olivers Fax in den
Mitsubishi 7000. Schon um 11 Uhr 16 erschien auf dem angeschlossenen
Computerbildschirm eine Mitteilung.
ÜBERTRAGUNG ABGEBROCHEN – ATMOSPHÄRISCHE
STÖRUNGEN AM BESTIMMUNGSORT.
»Schlechtes Wetter?« erkundigte sich der
Spruance-Darsteller.
»Heute liegen aus dem gesamten Nordatlantik keinerlei
Sturmmeldungen vor«, erklärte Ramirez.
Eine Stunde später versuchte der Funkoffizier es noch einmal.
ÜBERTRAGUNG ABGEBROCHEN – ATMOSPHÄRISCHE
STÖRUNGEN AM BESTIMMUNGSORT. Wieder eine Stunde danach machte er
den dritten Versuch. ÜBERTRAGUNG ABGEBROCHEN –
ATMOSPHÄRISCHE STÖRUNGEN AM BESTIMMUNGSOERT.
Doch in
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