Das Gottschalk-Komplott
es anhielt, durchdachte er verschiedenerlei Wege, wie er Mogshack am Zeug flicken könne, und kam zu der entmutigenden Erkenntnis, daß er sie, um nachzuweisen, daß die Behandlung Celias Zustand verschlechtert statt gebessert hatte, wahrscheinlich einer Psychoprofilanalyse unterziehen lassen mußte. Und für Persönlichkeitstests geeignete Analogrechner zu mieten, war fürchterlich teuer, normalerweise Personen wie Regierungsverantwortlichen und Spitzenbonzen von Riesenunternehmen vorbehalten, von deren klarem Denkvermögen das Schicksal von Millionen abhing.
Aber vielleicht konnten ihn seine Computer auf eine Alternative hinweisen; sie waren keineswegs die besten der Welt, aber außergewöhnlich gut mit Informationen versehen. Und außerdem war da noch diese Andeutung, die Lyla gemacht hatte – über jemanden in der Ginsberg-Klinik, der geistig gesünder sei als ihr Direktor. Das mochte ein Anhaltspunkt sein, dessen Weiterverfolgung lohnte.
„Können Sie eigentlich herausfinden“, fragte er nach, „was Ihre Orakel bedeuten?“
„Oh, manchmal, ja. Ich bin ziemlich gut mit dieser Art von Kurzschrift vertraut, deren sich mein Unterbewußtsein bedient.“
„Glauben Sie, sie könnten diese Person identifizieren, die Sie vorhin erwähnt haben – diesen Insassen, der geistig klarer ist als Mogshack?“
Lyla erwog die Frage mit einer Miene, die unmißverständlich Zweifel bezeugte. „Ich kenne keinen von den heutigen Anwesenden von früher“, sagte sie zuletzt. „Aber wahrscheinlich ist es nicht ganz ausgeschlossen, einen aufschlußreichen Hinweis zu finden. Natürlich müßte ich als erstes das Band hören … Ja, das wäre ein Weg. Sagen Sie, dürfte ich mir Ihre Aufnahme anhören? Gott weiß, wann Dan mit seinem Recorder angetanzt kommt.“
„Sicher dürfen Sie. Jetzt gleich, wenn Sie mögen. Es ist ohnehin aus Gründen der Fairness angebracht, Ihnen die Aufzeichnung zu zeigen, bevor sie gesendet wird, für den Fall, daß irgendwas dabei ist, wovon Sie möchten, daß ich’s nicht verwende. Äh … das heißt, wenn Sie keine Bedenken haben, mich allein zu mir zu begleiten …?“
Lyla lachte verzerrt auf. „Halten Sie mich für ’ne Neopuritanerin? Das ist ein Luxus, den ich mir nicht erlauben kann.“
„Ja, das ist’s vermutlich.“ Flamen nickte. „Nicht so sehr die Haltung selbst, sondern deren Unterhaltung. Hmmm! So habe ich noch nie darüber nachgedacht, aber es ist wahr – die zusätzliche Kleidung, die man kaufen muß, gefertigt aus wesentlich mehr Stoff, die zusätzlichen KommNetz-Apparate, die man braucht, um nie mit irgendwem allein im Zimmer sein zu müssen, sondern mit allen auf Abstand Umgang pflegen zu können …“
„So war’s nicht von mir gemeint“, unterbrach ihn Lyla. „Ich wollte sagen, eine puritanische Pythoness kann’s nun mal nicht geben. Das Unterbewußtsein kennt keine Moral, stimmt’s? Es hält sich an nichts als die Wahrheit, und daher … Na, man spricht ja auch von der ‚nackten Wahrheit’, nicht? Wäre es möglich, ich würde das wörtlich nehmen und überhaupt nichts tragen, nur Schmuck, nicht einmal so ein Nix-Trikot. Es ist ganz erstaunlich, wie sehr das hilft … Ich will Ihnen mal was erzählen, das Ihnen zeigt, was ich meine. Ich bin auf so ’ne hochanständige Schule geschickt worden, mit Uniformen und allem Drumherum … richtiggehend viktorianisch. Und mir wäre nie bloß im Traum eingefallen, ich könne zur Pythoness begabt sein, bis ich am Ende von dort abgehauen bin. Ich kam nach New York, hatte kein Geld, ich schlief bei Fremden auf dem Fußboden, ich lief praktisch in Lumpen herum, weil meine Klamotten natürlich schnell verschlissen, und da, ganz plötzlich, als ich nahezu mehr Dreck als Kleidung auf dem Leibe hatte, war mein Talent offenkundig, zack! Zuerst grauste mir, aber ich habe mich im Laufe der Zeit daran gewöhnt. Und später, nachdem ich Dan kennengelernt hatte, fand ich dann allmählich heraus, wie es sich fördern ließ.“
„Zum Beispiel …?“
Lylas hübsches Gesicht widerspiegelte unversehens Säuerung, wie Milch, in die man Zitronensaft schüttete. „Sie sind kein Kind, Mr. Flamen. Verflucht, was glauben Sie denn, wie jemand es lernen kann, sich mit einer größtmöglichen Anzahl anderer Menschen zu identifizieren? Man macht, was sie machen! Man hungert mit ihnen, schläft mit ihnen, ißt und trinkt mit ihnen, man läßt von ihnen mit sich treiben, was sie treiben möchten, und bei alldem enthält man sich jedes
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